Konjunkturteam
"Altmark"
Bericht III/2000 vom 10. Juli 2000
Bericht zur Konjunkturlage in den
neuen Bundesländern:
Prognose:
Konjunkturindex des
Konjunkturteams "Altmark": (Prognose 3. Quartal 2000)
Stabilisierung auf erreichtem Niveau
Tatsächliche und
prognostizierte Werte des Indexes der Nettoproduktion in den
neuen Bundesländern
Handelsblattindikator: Ost-Barometer legt nochmals zu
(Handelsblatt v. 04.07.2000, S.8)
Diese angebotsseitigen Faktoren schlagen natürlich auch auf die Erzeugerpreise durch. Die Jahresrate erreichte im Mai mit 2,7% ihren höchsten Stand seit August 1991 (Stat. Bundesamt Pressemitteilung 26.6.2000). Ohne die Mineralölerzeugnisse wäre er nur um 1,5% gestiegen (Stat. Bundesamt Pressemitteilung 26.6.2000). Zur Dämpfung der Entwicklung trugen die Strompreise (-17,5%) bei. Die kommende Entwicklung der Inflationsrate (Lebenshaltung) wird auch in den nächsten Monaten direkt und indirekt stark von der Entwicklung der Ölpreise abhängen. Der Barrelpreis in Dollar überstieg den Vorjahreswert im Juni um 87% (WirtschaftsWoche v. 06.7.00 S. 47). Die Befürchtungen der EZB hinsichtlich der Preisstabilität in der Währungsunion werden vor dem Hintergrund der obigen Graphiken verständlich. Zusätzliche Prognoseschwierigkeiten kommen von Seiten der Wechselkursentwicklung hinzu. Nach der kurzen Aufwertung des Euro im Mai, kam es im Juni wieder zu einer Abwertung. Wir befürchten, dass die Inflationsrate das "Inflationsziel" der EZB in Höhe von 2% überschreiten wird.Bitte anklicken!
Die Frühjahrsumfrage des IW in Köln hat ergeben, dass erstmals seit 1992 die Unternehmen, die ihr Personal aufstocken wollen, ganz knapp in der Überzahl sind. Dabei kommt ein ganz neues Problem zum Tragen. Trotz der hohen Arbeitslosenquote mangelt es an Fachleuten. Dies ist ein erstaunliches Ergebnis. Insgesamt kann jedoch von Euphorie keine Rede sein (Handelsblatt 31.05.2000). Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, sieht Lichtblicke am ostdeutschen Arbeitsmarkt. Er führt seine Meinung ebenfalls auf die deutliche Besserung der Auftragseingänge und des Geschäftsklimas im Verarbeitenden Gewerbe zurück (Handelsblatt 16.06.2000). Das von der Bundesregierung initiierte Bündnis für Arbeit wird von den Konflikten im Tarifstreit überschattet. Im Zuge der verbalen Streitigkeiten zwischen der Regierung, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften drohte der Innenminister, Otto Schily, dass die Angebote von den Arbeitgebern auch zurückgezogen werden könnten (Handelsblatt 02.06.2000). Diese Diskussionen werden keinen positiven Einfluss auf das Bündnis haben. Auf der anderen Seite hat der Bundeskanzler versprochen, dass der Solidarpakt auch nach 2004 fortgesetzt wird. Dabei wird es voraussichtlich zu Einsparungen kommen, über die genaue Höhe der künftigen Förderung wurde aber noch nicht gesprochen. Das IWH sieht eventuelle Kürzungen jedoch nicht als dramatisches Problem. Es geht z.B. bei einer Kürzung von 25 Mrd. DM auf 7 Mrd. DM im Jahr 2005 von einem Rückgang des Wirtschaftswachstum um 3%-Punkte und einem Abbau von 40.000 Arbeitsplätzen aus. Bereits im Jahr 2010 soll sich das Wachstum bereits wieder erholt haben und nur noch um 0,5% bis 1% unter dem Wachstum liegen, das bei unverändert hoher Förderung aufgetreten wäre (Handelsblatt v. 31.05.2000).Bitte anklicken!
Das Verarbeitende Gewerbe
Die Aussichten für die ostdeutsche Industrie haben sich weiter verbessert. So kletterte das
Klimabarometer des IWH's für den Monat Mai auf 54 Zählerpunkte. Hieraus ableitend beurteilen
somit drei Viertel aller befragten Unternehmen Ostdeutschlands ihre Geschäftslage mit "gut"
oder "eher gut" (WirtschaftsWoche Nr. 25 S.61). Das ifo - Institut überschreibt seinen Bericht
mit "Industrie (Ost): Weiter auf Erholungskurs", da alle Befragungsergebnisse im VG nach oben
zeigen: Die Lage hat sich genauso wie die Erwartungen verbessert. Selbst die Preiserwartungen
haben sich erhöht (ifo Wirtschaftskonjunktur Mai 2000). Dies kann bei der Betrachtung der Zahlen
zum Auftragseingang auch nicht verwundern. Immerhin lag der Auftragseingang (Volumen, real) im
Mai um 34% über dem Vorjahresmonat. Aus dem Inland kamen 28,1% mehr Aufträge, aus dem Ausland
58,4%. (Pressemitteilung vom 6. Juli 2000 des Bundesministerium für Finanzen). Dies war bei allen
Produzenten in etwa ähnlich. Saisonbereinigt sanken die Auftragseingänge von April auf Mai zwar um
4,3% (Deutsche Bundesbank), was konjunkturell bei derzeit hoher Volatilität aber nicht viel besagt.
Der aussagekräftigere Zweimonatsvergleich (April/Mai) zeigt folgendes Bild: Gegenüber Mai/April 99
stiegen die Aufträge um insgesamt 26,3%. Die Steigerung aus dem Inland betrug 22,1%, die aus dem
Ausland 39,1%. In diesem Vergleich konnten die Investitionsgüterproduzenten mit +31,7% am meisten
profitieren. Bedenklich scheint jedoch, dass das ifo- Exportklima für die gesamte BRD schon wieder
fällt (WirtschaftsWoche 6.7.2000).
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Die Bauwirtschaft
Im Osten nichts Neues könnte man die Prognose für den Bau für die kommenden Monate überschreiben.
Auch dieser Bericht ist von Pessimismus geprägt. So kommentiert das IWH, dass "keine wesentliche
Besserung" erkennbar ist und auch die Sommeraussichten eine weiterhin angespannte Lage erwarten
lassen. (IW Halle; Wirtschaft im Wandel 7/2000, S. 218) Ähnlich die Zusammenfassung des Ifo -
Instituts: "Nachlassende Skepsis" in Bezug auf die kommenden Monate. Aber auch hier planen 36% der
Unternehmungen einen Mitarbeiterabbau. (ifo Wirtschaftskonjunktur 4/2000) Konkrete Zahlen nennt
Ignatz Walter, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Er spricht davon, dass in
Ostdeutschland mit einem Arbeitsplatzabbau in Höhe von 17.000 Beschäftigten zu rechnen ist, und
somit die Zahl der Beschäftigten auf 1,08 Mio sinken wird. Auch weitere Insolvenzen werden
erwartet. (Handelsblatt, 18.05.2000) Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes
der Deutschen Bauindustrie, geht davon aus, dass die Bauinvestitionen um real minus 3%, die
Umsätze im Wohnungsbau gar um weitere 4% sinken werden und auch er meint, dass ein weiterer
Arbeitsplatzabbau unvermeidlich ist. In diesem Zusammenhang erwähnt er auch leicht steigende
Investitionen, die aber für einen Umschwung in diesem Bereich nicht ausreichen.
Ebenfalls relativ enttäuschend entwickelt sich der Wirtschaftsbau - auch hier ist kein nachhaltiger
Aufschwung in Sicht. (Handelsblatt, 26.06.2000) Ausgehend von den saisonbereinigten Zahlen der
Deutschen Bundesbank muss festgestellt werden, dass die Auftragseingänge der ersten vier Monate
um 11,3% (real: 10,3%) unter dem entsprechenden Vorjahreszeitraum lagen. Tendenziell sind also
auch leichte Preisrückgänge feststellbar. Im April lagen die Auftragseingänge (nominal wie real)
gar um 20% unter dem Vorjahresniveau. Der Preisdruck kommt auch in den Befragungen des ifo-Instituts
zum Ausdruck und ist bei einer gegenwärtigen Auslastung von 64% (Vorjahr: 72%) auch nicht
verwunderlich (ifo Wirtschaftskonjunktur Mai 2000).
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Angebotsseitige
Faktoren
Es wäre denkbar, das die Zinsen unverändert bleiben. Viele Ökonomen und Analysten erwarten jedoch
eine oder auch zwei weitere Zinserhöhungen durch die EZB. Wir halten einen Zinsschritt der EZB im
Sommer für denkbar, der allerdings nicht höher als 25 Basispunkte ausfallen dürfte, zumal die
letzten Zinsschritte in sehr kurzen Abständen erfolgten und auch sehr deutlich waren. Jedoch ist
die EZB nicht unabhängig von den Entscheidungen der amerikanischen Notenbank. So gibt es auch
Stimmen, die besagen, dass Alan Greenspan die Zinsen nicht mehr erhöht, weil im Herbst die Wahlen
für den neuen amerikanischen Präsidenten stattfinden. Doch Greenspan hat schon in der Vergangenheit
bewiesen, dass ihn Präsidentenwahlen nicht beeindrucken: Dies zeigte sich bei der Wahl 1992, als er
die Zinsen nach einer Minirezession sehr lange hoch hielt und als Folge Clinton Präsident wurde.
Greenspan interessiert sich nur für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und ein dauerhaftes Wachstum
der Wirtschaft. Dabei ist ihm ein Inflationsziel von 2% zu dogmatisch (Wirtschaftswoche 21/00).
Eine Angst vor einem Crash-Szenario in den USA sei übertrieben, denn ein Garant dafür ist die
Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Politik der Fed und vor allem in die Person von Greenspan.
Eine Position, die eventuell auch der EZB gut tun würde, doch die EZB ist nicht die Deutsche
Bundesbank.
Generell zeigen sich Defizite im Bereich der Bezahlung und anderer tariflicher Leistungen für die
ostdeutschen Arbeiter und Angestellte auf. Teils werden die Lohneinkommen bei längeren Arbeitszeiten
und kürzeren Urlaubszeiten erreicht, teils fehlen die im Westen üblichen Zugaben. Das drückt sich
dadurch aus, dass z.B. im Friseurhandwerk und Transport- sowie Verkehrsgewerbe nur 63% der
Westvergütung gezahlt werden. Lediglich die Brauerei-Branche bildet mit 101,5% des Westniveaus
eine Ausnahme. (Volksstimme, 06.04.00) In der Bauwirtschaft hingegen gibt es eine
Ost-West-Einkommenslücke von etwa 30%, gefolgt von den Arbeitern der Textilbranche und des Hotel-
und Gaststättengewerbes mit 79,3% und 77,2% des Westniveaus. Das Effektiveinkommen in den neuen
Länder hat sich mit 81% im Vergleich zu den westlichen Bundesländern wenig verändert.
(Volksstimme, 02.06.00) Da die Lohn- und Gehaltssumme je Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe
der Neuen Ländern in den ersten vier Monaten nur um 0,4% gestiegen ist (Eigene Berechnungen Stat.
Bundesamt), der Reallohn somit gesunken ist, dürften die Lohnstückkosten bei wachsender
Produktivität ebenfalls gesunken sein. Auf eine steigende Wettbewerbsfähigkeit in diesem Sektor
lässt auch die Lohn- und Gehaltssumme je Umsatz schließen. Während die Lohnkosten in den ersten vier
Monaten 1999 noch einen Anteil im Westen von 73% je Umsatzeinheit ausmachten, lag er im Osten bei
70%. Beide Anteile sanken in den ersten vier Monaten 2000: Im Westen auf 68,6% und im Osten auf
63,2%; im Westen also um rund 6% im Osten hingegen um 9,5% (Eigene Berechnungen Stat. Bundesamt).
Dies dürfte die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen stärken.
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Wruck, M.(Arbeitslosigkeit L+P); Gläser, T. (Bauwirtschaft L); Jacob, R.; Vorpahl, D. (VG P);
Brückmann, B. (Inflation), König, A. ; Schleef, A. (VG L); Wedekind, A.(Löhne L+P); Patzig, W.(Wachstum L+P);
Brattan, M.(Zins L+P); Rosenow, A.(Bau P)
L = Lage und P= Prognose
Redaktion:
Bernd Bückmann, Alexandra Kreusch und Wolfgang PatzigV.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Hochschule Magdeburg-Stendal(FH) / Stendal;
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.fh-magdeburg.de