Konjunkturteam "Altmark"
Bericht IV/2000 vom 13. Oktober 2000
Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:
Lageanalyse 3. Quartal 2000:
Datenlage
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: | Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte) |
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt) |
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1995 (ohne Gesamt-Berlin) |
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)1) (Gesamtdeutschland)) |
Zinssatz
(Umlaufsrendite) (Gesamtdeutschland) |
1992 | 13,5 % | 14,5 % | 11,7 % | -22,9 | 8,1 % |
1993 | 10,5 % | 15,1 % | 10,1 % | -16,2 | 6,4 % |
1994 | 3,7 % | 15,2 % | 11,3 % | -38,8 | 6,7 % |
1995 | 2,1 % | 14,0 % | 5,0 % | -29,7 | 6,5 % |
1996 | 2,2 % | 15,7 % | 2,5 % | -11,9 | 5,6 % |
1997 | 2,1 % | 18,1 % | 1,0 % | -4,8 | 5,1 % |
1998 | 1,2 % | 18,2 % | 0,7 % | -8,0 | 4,5 % |
1999 | 0,4 % | 17,6 % | 1,5 % | -35,4 | 4,3 % |
3. Quartal 1999 | 0,4 % | 17,4 % | -16,2 | 4,7 % | |
4. Quartal 1999 | 0,6 % | 17,2 % | -9,7 | 5,1 % | |
1. Quartal 2000 | 1,5 % | 19,1 % | -6,4 | 5,4 % | |
2. Quartal 2000 | 1,4 % | 17,1 % | 1,7 %4) | -9,3 | 5,4 % |
3. Quartal 2000 | 1,9 %3) | 16,9 %2) | |||
Juli 2000 | 1,7 % | 17,0 % | -5,4 | 5,5 % | |
August 2000 | 1,8 % | 17,0 % | 5,5 % | ||
September 2000 | 2,1 %3) | 16,6 %2) |
Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte
Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber
Vorjahreszeitraum
1)Im Rahmen der Revision
der Leistungsbilanzdaten von 1999 wurden methodische Änderungen vorgenommen
2)Bundesanstalt für Arbeit Pressemitteilung v. 05.10.00
3)Statistisches Bundesamt; Mitteilungen für die Presse v. 10.10.00
4)Wert für das 1. HJ. 2000; alle Werte vom Arbeitskreis "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder"
Da können selbst die westdeutschen "Zugpferde" Bayern mit 9,8% und Baden-Württemberg mit 7,6% kaum mithalten. Verbunden damit dürfte auch eine positive Entwicklung bei den unternehmensnahen Dienstleistungen sein. Insgesamt brachte die Neuberechnung der Länderergebnisse nach der ESVG 1995 einige größere Revisionen mit sich, weswegen sich ein Blick in die Analyse von Udo Ludwig (IWH, Wirtschaft im Wandel; 11/2000) durchaus lohnt.Bitte anklicken!
Das Verarbeitende Gewerbe
Der konjunkturelle Aufschwung des Verarbeitenden Gewerbes zeigt weiterhin einen positiven Verlauf. Wie auch in den
alten Bundesländern profitiert es dabei von der steigenden Auslandsnachfrage. So stieg der ausländische
Anteil am Gesamtumsatz auf 21,2% (Wirtschaft im Wandel, 12/2000). Im Juli wurde ein Plus von
32,4% im Auslandsgeschäft verzeichnet. Der Gesamtumsatz stieg um 9,9%. Bei den geleisteten Arbeitsstunden steht
demgegenüber ein Rückgang von 1% bei einem gleichzeitigen Anstieg der Beschäftigung von 2,9%
(Statistisches Bundesamt, 14.09.00). Das ifo-Institut berechnete einen leicht steigenden
Lageindikator von 123,8 im August. Auch die Erwartungen der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes steigen nach einer
kleinen Flaute zur Jahresmitte wieder an. So stieg der Index auf 88,7 im August, nach einem Tief im Juni von 87,6
(ifo Geschäftsklimaindex, August 2000). Auch das IW Halle (IWH) resümiert eine
positive Bilanz. Es ist der Meinung, dass das Verarbeitende Gewerbe und das Dienstleistungsgewerbe zusammen die
Produktionsausfälle im Baugewerbe nicht nur ausgleichen, sondern sogar noch einen Überschuss erwirtschaften
werden.
Für das gesamte Jahr prognostiziert das IWH ein Wachstum der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe
von 10,7%. (Handelsblatt, 28.09.00).
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Die Bauwirtschaft
Noch zur Jahresmitte dachten selbst die Pessimisten, es könne kaum schlechter werden. Dennoch stellt das
ostdeutsche Baugewerbe im 3. Quartal diesen Jahres einen weiteren Negativrekord auf. Nach Umfragen des IW Halle
beurteilen mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen ihre aktuelle Lage als schlecht. Eine derartige
Einschätzung ist selbst für das Baugewerbe (gerade in den Sommermonaten) seit Erhebung der Daten im Jahre
1993 neu. Nur 13% der Befragten bezeichnen ihre Lage als "gut", 34% als "eher gut" (Wirtschaftswoche,
14.09.2000). Gründe dafür sind vor allem die rückläufigen Auftragseingänge (-15,5% im
1. Halbjahr) und damit verbundene Umsatzeinbußen, die sich im 1. Halbjahr dieses Jahres auf -15% belaufen. Konkret
bedeutet das für den Wirtschaftsbau ein Minus von 11,7% und für den öffentlichen Bau ein
Minus von 12,2%. Der Wohnungsbau büßte sogar ein Fünftel seines Umsatzes ein, das Auftragsvolumen sank hier
um 23% auf 592 Mio. Mark. Als Folge dessen steigt die Zahl der Konkurse ostdeutscher Baubetriebe an. Bereits in den
ersten 5 Monaten des Jahres waren 261 Pleiten zu verzeichnen (Volksstimme, 01.09.00).
Dementsprechend hält auch der Beschäftigtenabbau weiter an und lag im Juli diesen Jahres um 14,7%
(294.000 Beschäftigte) unter dem Vorjahresniveau. Was fehlt, so Manfred Moschner vom Bauindustrie-Verband, sind
"Investitionen der öffentlichen Hand", doch diese werden im kommenden Jahr noch um 400 Mio. Mark gesenkt
(Volksstimme, 01.09.00). Somit koppelt sich die Baukonjunktur weiter von der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Einem BIP-Zuwachs von 2% in Ostdeutschland steht ein Minus von 6,8% der
Bruttowertschöpfung des ostdeutschen Baugewerbes gegenüber. Trotzdem liegt die Bruttowertschöpfung
je Einwohner im Baugewerbe um 56% über der des Westniveaus (Handelsblatt, 14.09.00).
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Angebotsseitige
Faktoren
Im Berichtszeitraum erhöhte die EZB zweimal die Zinssätze. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei 4,75%
und die Ecksätze für den Geldmarkt betragen derzeit 3,75% bzw. 5,75%. Die Begründung für die
Zinsschritte liegen in den Risiken der mittelfristigen Preisstabilität im Euroland. Auf mittlere Sicht ist die
Liquiditätsausstattung nach wie vor reichlich (Handelsblatt, 06.10.00). Im
Dreimonatszeitraum Mai bis Juli 2000 lag das Geldmengenwachstum von M3 bei 5,5% (EZB, 9/00).
Noch im Juli wurde das M3-Wachstum mit 5,1% festgestellt und im August lag es bei 5,6%
(Handelsblatt, 06./07.10.00). Die Zinserhöhungen waren auch notwendig geworden, weil somit der Gefahr
einer Lohn-Preis-Spirale in einigen Ländern wie Irland, Spanien und Finnland begegnet werden sollte. In diesen
Ländern vermehrten sich die Anzeichen einer Überhitzung der Wirtschaft. In diesem Jahr wird das BIP-Wachstum in
Irland auf 8,25%, bei einer Inflation von mehr als 5%, geschätzt (Handelsblatt; 30.8.2000).
Zudem sollte durch die Zinserhöhungen der Druck vom Euro genommen werden, was jedoch keinen bleibenden Eindruck
auf den Finanzmärkten hinterlassen hat. Die Ankündigung der EZB vom 14.09., ihre Devisenzinseinnahmen zum
Kauf von Euro einzusetzen, half der europäischen Einheitswährung auch nicht auf die Beine
(Handelsblatt, 15.09.00). Schlussendlich wurde am 22.09. der Euro durch Intervention an den Devisenmärkten
gestützt. In einer gemeinsamen Aktion warfen die amerikanische, japanische und europäische Zentralbank ca.
6 Mrd. $ auf den Markt (Wirtschaftswoche, 40/00). Die Umlaufrendite ist im September stabil
geblieben und betrug im Monatsdurchschnitt 5,4%. Die Rendite von 10jährigen Anleihen lag im September bei
durchschnittlich 5,26%. Um die Personengesellschaften zu entlasten, ist im Rahmen der Steuerreform die Senkung des
Einkommensteuer-Spitzensatzes im Jahre 2005 auf 42% (einschließlich des Solidaritätszuschlages auf 44,3%) geplant.
Die steuerliche Belastung der Kapitalgesellschaften soll dann über 38% betragen (iwd, 20.07.00)
. Fest steht, dass die westdeutsche Industrie 1999 mit 49,23 DM pro Stunde weltweit die höchsten Lohn-
und Arbeitskosten für die verarbeitende Industrie verzeichnete und mit den Personalzusatzkosten auf Platz 6 im
internationalen Ranking steht. Die neuen Bundesländer lagen mit 31,20 DM pro Stunde im Mittelfeld. Der
Unterschied lässt sich auf fehlende oder geringere Sonderzahlungen wie Urlaubsvergütungen, Weihnachtsgeld
oder betriebliche Altersvorsorge im Osten zurückführen (iwd, 17.08.00). Im Jahr 1999
hatten in Ostdeutschland nur 16% der Beschäftigen im Verarbeitenden Gewerbe und 20% im Handel Anspruch auf eine
Betriebsrente. In Westdeutschland waren es hingegen im Verarbeitenden Gewerbe 64% und im Handel 28%
(iwd, 10.08.00). Vergleicht man 1999 die Bruttojahresverdienste der Arbeitnehmer des Produzierenden Gewerbes,
dann erhöhten sich diese in den neuen Bundesländern um 2,9% und betragen somit 71,4% des Westniveaus.
Angestelltengehälter stiegen mit 3,8% deutlich höher als die Arbeiterlöhne mit 2,2%. Die
Frauenverdienste erzielten eine größere Zuwachsrate, aber der Verdienstunterschied zu den männlichen
Angestellten verminderte sich nur unmerklich. Im Handel-, Kredit- und Versicherungsgewerbe waren die Zuwachsraten
für Angestelltenverdienste annähernd gleich mit 1,9% (West) und 2,0% (Ost)
(Statistisches Bundesamt, 26.07.00). Nach dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung (ESVG) 1995 lag die Produktivität Ostdeutschlands (mit Berlin) gemessen am BIP je
Erwerbstätigen bei 77.992 DM oder bei 71,1% des westdeutschen Niveaus. Die Lohnstückkosten sind um 12,1%
höher als in den alten Bundesländern (IWH, 11/2000). Ein anderes Bild zeigen die
Lohnkosten je Umsatzeinheit im Verarbeitenden Gewerbe. Wie in der obigen Grafik ersichtlich, liegen sie für
Ostdeutschland unterhalb des westdeutschen Niveaus.
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteams "Altmark" der FH Magdeburg - Stendal:
Wruck, M.(Arbeitslosigkeit L+P); Gläser, T. (Bauwirtschaft L); Jacob, R.; Vorpahl, D. (VG P);
Brückmann, B. (Inflation L+P), König, A. ; Schleef, A. (VG L); Wedekind, A.(Löhne L+P); Patzig, W.(Wachstum L+P);
Brattan, M.(Zins L+P); Rosenow, A.(Bau P)
L = Lage und P= Prognose
Redaktion:
Bernd Bückmann und Wolfgang PatzigV.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Hochschule Magdeburg-Stendal(FH) / Stendal;
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de