Konjunkturteam "Altmark"
Bericht I/2000 vom 15.Januar 2000


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Lageanalyse 4. Quartal 2000:

Datenlage
 
 
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)1)
(Gesamtdeutschland))
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)

1992 13,5 % 14,5% 7,8 % -21,1 8,1 %
1993 10,5 % 15,1 % 8,9 % -14,9 6,4 %
1994 3,7 % 15,2 % 9,8 % -36,5 6,7 %
1995 2,1 % 14,0 % 5,3 % -27,2 6,5 %
1996 2,2 % 15,7 % 1,9 % -8,4 5,6 %
1997 2,1 % 18,1 % 1,6 % -2,4 5,1 %
1998  1,2 % 18,2 %  2,1 %  -6,5 4,5 % 
1999  0,4 % 2) 17,6 %       
4. Quartal 1998 0,67 % 16,3 % 0,9 % -0,4 3,9 %
1. Quartal 1999 0,2 % 18,8 %   -3,0 3,7 %
2. Quartal 1999 0,4 % 17,0 %   +1,8 3,8 %
3. Quartal 1999 0,4 % 17,4 %   -7,9  4,7 %
4. Quartal 1999 0,6 % 2) 17,2 % 3)   -7,9   
Oktober 1999 0,5 % 16,9 %   -3,9 4) 5,2 %
November 1999 0,5 % 16,9 %   0,4 4) 5,0 %
Dezember 1999 0,7 %2) 17,7 %3)      

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1)Im Rahmen der Revision der Leistungsbilanzdaten von 1999 wurden methodische Änderungen vorgenommen 2)Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v.10.01.2000
3) Bundesanstalt für Arbeit Pressemitteilung v. 05.01.20004) Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v. 11.01.2000



Verarbeitendes Gewerbe
Die Zahlen des vierten Quartals lassen aufhorchen, so stieg der Umsatz im verarbeitenden Gewerbe im November 1999 um 12,8% (Okt. 4,8%) gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Wenn man sich das Wachstum von 9,5% der alten BL anschaut: ein gutes Ergebnis. Auch im Quartalsvergleich liegen die neuen BL vorne. So wurde eine Steigerung von 6,2% gegenüber 6,1% in den alten BL (3.Quartal 1999 zum 3.Quartal 1998) erwirtschaftet (Statistisches Bundesamt). Der saisonbereinigte Produktionsindex des verarbeitenden Gewerbes der NBL zeigt eine Produktionssteigerung im Oktober allerdings von nur 1,5% (Nov. +2,9%) und das trotz sinkender Arbeitsstunden von 1,6%. Diese Zahlen sprechen für eine Produktivitätssteigerung des verarbeitenden Gewerbes der NBL in den letzten Monaten. Die Beschäftigung lag hingegen im November um 1,5% über dem Vorjahresniveau. Die Kapazitätsauslastung schwankt gemäss Befragungen (ifo-Wirtschaftskonjunktur 11/99) weiterhin um 80%, liegt allerdings unter der der westdeutschen Unternehmen. Trotz steigender Umsätze werden die Bestände der Fertigwarenlager immer noch als zu hoch eingeschätzt (ifo-Wirtschaftskonjunktur 11/99). Auch nach der Umfrage des IW-Halle schätzt das VG die derzeitige Lage positiv ein. So sehen 75% der befragten 300 Unternehmen ihre Situation als "gut" oder "eher gut". Besonders hervorzuheben sind hier die Kunststoff- und Metallverarbeitung und der Maschinen- und Fahrzeugbau (IWH, Wirtschaft im Wandel 16/1999).


Die Bauwirtschaft
Die Stimmung in der ostdeutschen Bauwirtschaft war gegen Jahresende etwas eingetrübt. Wie die Deutsche Bundesbank mitteilt, verzeichnete das Bauhauptgewerbe in den neuen Ländern im Oktober 1999 preisbereinigt eine um 3,6 Prozent niedrigere Produktion als im Vorjahresmonat. Im November lag sie um 2,7% unter Vorjahresniveau. Die Bauaufträge in Ostdeutschland verminderten sich binnen Jahresfrist um real 14,4 Prozent. (FAZ, 25.11.99) Der Umsatz im Oktober 1999 stieg saisonbereinigt um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, obwohl die Arbeitsstunden um etwa 6 Prozent und die Beschäftigung um 4,8 Prozent saisonbereinigt unter den Vorjahreswerten lagen. (Deutsche Bundesbank) Auch die Auftragseingänge wiesen nach unten, und der Konkurrenzkampf wurde fast ausschliesslich über den Preis ausgetragen. (Stendaler Volksstimme, 5.11.99) Dennoch beurteilten 58 Prozent der befragten Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage weiterhin als "gut" oder "eher gut", wie eine Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ergab. (Wirtschaftswoche, Nr. 46 1999) Ende 99 sank es wieder und liegt auf Vorjahresniveau (Wirtschaftswoche Nr. 3 2000). Zutreffend hatte der Verband der Deutschen Bauindustrie darauf hingewiesen, dass weder die Baurezession noch die strukturellen Belastungen der Baubranche aus der zunehmenden Internationalisierung des Baugeschäfts mit anwachsendem Wettbewerb und steigendem Preisverfall in Deutschland schon ausgestanden seien. Auch die Gutachten der Forschungsinstitute und des Sachverständigenrates bestätigten die noch immer schwierige Situation am Bau. (FAZ, 24.11.99) In dieser Situation stösst auch die Bundeshilfe für den angeschlagenen Baukonzern Philipp Holzmann auf massive Proteste. Im Gegensatz zum Mittelstand würden bei grossen Konzernen im Sanierungsfall andere Massstäbe angesetzt (Der Prignitzer, 27.11.99). Deshalb dürften die Bündnisgespräche Bau mit der Bundesregierung nicht länger ergebnislos verlaufen. Nach Meinung der Bauindustrie müssten nun endlich Entscheidungen zur Förderung der Baunachfrage im Bundeskanzleramt fallen (FAZ, 25.11.99), denn bis 1998 waren bereits über 8.100 Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen, davon allein 3.400 in den neuen Ländern (iwd, 16.12.99).


Angebotsseitige Faktoren
Die Lohnangleichung der neuen BL an das Westniveau hat sich zusehens verlangsamt. In den neuen BL verdienten Männer 1998 durchschnittlich 51.060 DM und Frauen 45.920 DM. (in den Alten BL dagegen Männer 73.520 DM (2.2460 DM mehr) und Frauen 55.770 DM (9.850 DM mehr)) (Sozialpolitische Umschau, 11.10.99). Nach einer Bilanz des "Sozialreports 99" wuchs seit 1990 das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen in den neuen BL von 1.624 DM auf 3.021 DM. Auch waren 1990 2,8% in den neuen BL als "arm" zu bezeichnen (ihnen stehen weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens zur Verfügung), bis 1999 verdreifachte sich diese Gruppe auf 9,9% (Prignitzer, 29.10.99). Das Haushaltsnettoeinkommen in den neuen BL lag Ende 1998 mit 3960 25% unter dem Westniveau (5250 DM) (Prignitzer, 01.12.99). Das durchschnittliche Einkommen betrug hier Ost 880 DM und West 910 DM. Nur das Armutsrisiko Arbeitslosigkeit ist in den neuen BL ungleich höher (Volksstimme, 24.11.99). Zwischen 1998 und 1999 stieg nach 2,8%iger Steigerung das Westgehalt im Produzierenden Gewerbe auf 5.381 DM, im Osten dagegen nach 2,3%iger Steigerung auf 3.933 DM (Prignitzer, 10.11.99) Auch bei Handwerksgesellen ist der Unterschied gross. Hier verdienen die Gesellen in den Alten BL 24,15 DM bei durchschnittlich 39,2 Wochenarbeitsstunden und in den neuen BL 16,47 DM (=68% des Westniveaus) bei durchschnittlich 40,4 Wochenarbeitsstunden (Statistisches Bundesamt, 10.11.99). In den neuen BL lag die Sozialleistungsquote 1998 bei genau 55,7% weit über der Quote in den Alten BL mit 30,6% (IWD, 23.12.99).



Die EZB hat mit Wirkung vom 10.11. den Zinssatz des Mengentenders von 2,5% auf 3% erhöht. Gleichzeitig wurden zum 5.11. die Zinssätze der Spitzenrefinanzierungs- und der Einlagefazilität von 3,5% auf 4% angehoben bzw. von 1,5% auf 2%. Als Gründe für die Zinserhöhung nannte die EZB die Sicherung der Preisstabilität und des dauerhaften Wachstums. Reagiert wurde auch auf das anhaltend starke Geldmengenwachstum und die mit dem Konjunkturaufschwung verbundenen Preisrisiken (Bundesbank Monatsbericht 11/99). Die auf 5,2% angestiegene Umlaufrendite verminderte sich wieder auf 5,0%. Der Euro zeigte sich im Berichtszeitraum in einer schwachen Verfassung und schwankte von 1,09 $ je Euro bis hin zur Parität. EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing betonte mehrmals, dass sich die EZB keine Gedanken über den Wechselkurs mache, sondern über die Gefährdung der Preisstabilität eines schwachen Euro`s (Handelsblatt; 22.11.99). Sowohl Issing als auch EZB-Direktoriumsmitglied Solans erteilten einem Wechselkursziel eine klare Absage, da dies die Handlungsfähigkeit der EZB deutlich einschränken würde. Auch sei die politische Einmischung in Holzmann und die damit verbundene Angst vor vermehrten politischen Eingriffen wenig hilfreich gewesen, den Euro zu stützen (FAZ; 26.11.99). Analysten gaben als Gründe für die Talfahrt des Euro`s, die Zweifel am konjunkturellen Aufschwung und lahmende Strukturreformen an (Handelsblatt; 26.11.99). Weiterhin sei die Stärke des Dollars ein Zeichen für die Stärke der US-Volkswirtschaft. Zudem wird in den USA über Steuerrückzahlung und Budgetüberschüsse diskutiert und in Deutschland über neue Steuerbelastungen (FAZ; 27.11.99). Jedoch hat der Euro nicht nur zum Dollar abgewertet, sondern auch gegenüber anderen Devisen wie dem Yen und dem britischen Pfund. Trotz der durchweg positiven Aussichten ist Europa kein attraktiver Investitionsstandort für ausländische Anleger und Investoren (Wirtschaftswoche; Nr. 49). Das Problem ist vielschichtiger als gemeinhin angenommen. Zwar wäre es am Besten, den Märkten den Wechselkurs zu überlassen, jedoch sei dies nicht ganz unproblematisch, so Jürgen Donges, Mitglied des Sachverständigenrates. So besitzt der Euro weder das Renommee der D-Mark und ist auch nicht dementsprechend etabliert. Deutschland hat auch nicht mehr die ordnungspolitische Leitfunktion in Europa und fehlende Strukturreformen machen Anleger und Investoren nervös. Über kurz oder lang würde dieser Zustand eine beschleunigte Inflation über die Verteuerung der Importgüter hervorrufen (Handelsblatt; 8.12.99). In ihrer Dezembersitzung gab die EZB als Referenzwert für das Geldmengenwachstum in 2000 wiederum 4,5% an. Der EZB-Rat machte deutlich, dass das ohnehin hohe Wachstumspotential der europäischen Volkswirtschaften durch Strukturreformen auf den Arbeits- und Gütermärkten beträchtlich erhöht werden kann (FAZ; 3.12.99).


 
 
 
 
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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Wruck, M.(Arbeitslosigkeit P); Schrader, A.;Gläser, T. (Bauwirtschaft L); Jacob, R.; Vorpahl, D. (VG P);
Brückmann, B. (Inflation), König, A. ; Schleef, A. (VG L); Fahldieck, A.(Löhne P); Fehse, N. (Löhne L);
Patzig, W.(Wachstum); Brattan, M.(Zins); Rosenow, A.(Bau P)
L = Lage und P= Prognose


Redaktion:

Bernd Bückmann und Wolfgang Patzig
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg - Stendal;
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
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