Konjunkturteam
"Altmark"
Bericht IV/97 vom 20.Oktober 1997
Bericht zur Konjunkturlage in den neuen
Bundesländern:
Prognose:
Konjunkturindex des Konjunkturteams
"Altmark": (Prognose für
September 1997 - Januar 1998)
Nach wie vor zu geringes Wachstum
Tatsächliche und
prognostizierte Werte des Indexes der Nettoproduktion in den
neuen Bundesländern
Aktualisierter
Prognosespiegel
Wenn der derzeitige Konjunkturaufschwung nicht
endlich auch erhöhte Erwerbstätigenzahlen mit sich bringt,
sieht es für den ostdeutschen Konsum und damit auch für
den Einzelhandel schlecht aus. Weiter steigende Mietkosten, die
zu erwartende Beitragserhöhung der ostdeutschen Krankenkassen (Handelsblatt 4.9.97) und der
Rentenversicherungsbeiträge zum Jahreswechsel werden weiterhin
das Konsumbudget der Bürger der Neuen Bundesländer schwächen.
Damit dürften auch die Einzelhändler schlechteren Zeiten
entgegensehen. Nominale Umsatzeinbrüche im August in Höhe von
7% und real 8% auf gesamtdeutscher Ebene (Altmark-Zeitung
15.10.97) werden auch in den neuen Ländern
zu weiteren Arbeitsplatzverlusten führen. Auch die Einführung
des Euros hebt nicht gerade die Stimmung im Lager der
Einzelhändler. So stehen 45% der Befragten dem Euro skeptisch
gegenüber. 15% erwarten Komplikationen und Mehrarbeit, 10%
glauben, daß der Euro instabil werden würde, 8% rechnen sogar
mit Umsatzrückgängen aufgrund verminderter Kaufkraft (Handelsblatt, 7.8.97). Die
Absenkung des Soli dürfte nicht zu steigendem Konsum führen, da
er nur eine reale Entlastung für die gehobenen Einkommen
bedeutet. Diese Einkommensgruppe wird ihr Mehreinkommen aber kaum
für die Steigerung ihres Konsum verwenden. Inwieweit eine damit
verbundene erhöhte Investitionsbereitschaft zu mehr
Arbeitsplätzen und damit indirekt zu mehr realem Konsum führen
wird, wird uns erst die Zukunft zeigen. Trotzdem sehen wir die
Senkung des Soli als einen ersten Schritt in die richtige
Richtung. Steuersenkungen und die damit verbundene Steigerung der
Nettoeinkommen führt zu mehr Konsumbereitschaft.
Obwohl die Ausrüstungsinvestitionen rückläufig waren,
werden sie 1997 noch 4,5% über denen von 1996 liegen und in 1998
voraussichtlich bei 6,5%. Durch den Streit zwischen Bund und
Ländern über die Kürzung der Mittel zur Wirtschaftsförderung
werden Investoren aus dem In- und Ausland, um die langfristig und
mit erheblichen finanziellen Aufwand und Förderungszusagen
geworben wurden, verunsichert. Es ist noch nicht geklärt, wie
diese Zusagen und die Kürzung der Fördermittel von ca. 500 -
700 Mio. in Einklang gebracht werden sollen. Daraus resultiert,
daß spektakuläre Großinvestitionen oder Firmenverlagerungen
kaum noch zu erwarten sind. Also muß die Industriedichte durch
kleine Firmen Schritt für Schritt verbessert werden (Volksstimme 18.07.97). Dennoch
untermauert auch die Tendenz zu steigender Kapazitätsauslastung
(Juni 80,5% gegenüber 77,9% im Vorjahr: Höchster Wert seit
Einführung des ifo-Konjunkturtests in den Neuen Ländern Sozialpolitische Umschau 22.10.97)
in den Neuen Bundesländern eine wachsende Investitionsneigung.
Durch die wahrscheinlich starke Steigerung des
Rentenbeitragssatzes auf über 21% zum 01.01.´98 entfernt sich
der Staat immer weiter von seinem angestrebten Ziel der
Senkung der Lohnnebenkosten auf unter 40%. Zudem erzeugen die
gescheiterten Steuer- und Rentenreformen im Rahmen der
Standortdebatte weiter negative Stimmung. Da jedoch 1998 mit
einem leicht stärkeren Wirtschafts- und damit geringeren
Arbeitsplatzverlusten zu rechnen ist, kann zumindest mit einer
sehr leichten Entlastung bei der Bundesanstalt für Arbeit
gerechnet werden. Der jetzige starke Zuwachs im Bereich der 610,
-DM-Jobs deutet darauf hin, daß sich auf dem Arbeitsmarkt die
Nachfrage nach Arbeitsplätzen erhöhen wird, also die Ausgaben
des Staates dafür sinken werden. Lt. einer Schätzung im
Handelsblatt vom 7.10.´97 würde die Abschaffung der
610,-DM-Jobs "zu einer bis zu 1,5 Millionen Teilzeitjobs
führen".
Nachdem das Verarbeitende Gewerbe Ostdeutschlands schon 1995 26%
mehr Aufträge erhielt, betrug der Zuwachs 1996 nur noch 4,1% (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 9/97). Für 1997 zeichnet sich eine Umkehr ab. Nicht
saisonbereinigt stiegen die Aufträge im 1. Quartal um etwa 40%,
im zweiten um etwa 45% (ebenda) über das entsprechende Vorjahresniveau. Die
ostdeutsche Wirtschaft profitiert also durchaus vom
exportgetragenen Aufschwung Deutschlands. Inwieweit das günstige
Währungsgefüge jedoch bestehen bleibt, ist schwer absehbar.
Eine Umkehr auf dem Währungsmarkt würde viel Wind aus den
Segeln auch der ostdeutschen Export-Wirtschaft nehmen. Es
gibt dennoch Gründe für die Annahme, daß die Auslandsaufträge
und Auslandsumsätze auch der ostdeutschen Betriebe weiter auf
diesem Niveau wachsen. Die Konjunkturlage bei unseren
Handelspartnern sowie die Produktivität der ostdeutschen
Betriebe haben sich stark gebessert. Dies wird sich nicht in
gleichem Umfang auf die Steigerung des BIP auswirken wie im
Westen, da das Niveau wesentlich geringer ist. Der Anteil der
Auslandsumsätze an den Gesamtumsätzen des Verarbeitenden
Gewerbes liegt im Osten nahezu unverändert bei etwa 14%,
während er im Westen weit über 30% beträgt (Statistisches Bundesamt, div. Pressemitteilungen und
eig. Berechnungen).
Die gegenwärtige Lage der Bauwirtschaft
spiegelt sich auch in den Zahlen des ifo-Instituts zur
Geräteauslastung wieder. Diese lag in den beiden ersten
Quartalen des Jahres in Ostdeutschland etwa 2,5%-Punkte unter der
des jeweiligen Vorjahresquartals (BMWi
Wirtschafts-Daten Neue Länder 8/97). Der
Rückgang der Baunachfrage schlägt sich nun auch in den
Baupreisen nieder. So lagen die Baupreise z.B. für neugebaute
Wohnbauten im August 1,1% unter dem Vorjahresniveau (Statistisches Bundesamt 9.10.97).
Auch für 1998 erwartet die Bauwirtschaft keinen Aufschwung,
sondern rechnet erneut mit sinkenden Bauinvestitionen. Allerdings
setzt der Bau Hoffnungen in privat finanzierte
Infrastrukturprojekte (Süddeutsche Zeitung
10.9.97). Auch das Ifo-Institut in München
geht von einer weiter andauernden Talfahrt für das ostdeutsche
Baugewerbe im Jahr 1998 aus."War die Bauproduktion der
Ost-Betriebe im Vorjahr erstmals gesunken, so werde 1997 der
Rückgang noch stärker ausfallen und 1998 in unverändertem
Tempo anhalten", heißt es im jüngsten Ifo-Investitionstest
Baugewerbe Ost (Handelsblatt 29.9.97). Entgegen dieser Prognose vertritt der Hauptverband der
Deutschen Bauindustrie die zuversichtliche Auffassung, daß die
Baukonjunktur 1998 zunehmen wird, da nach dem Rückgang der
Bauinvestitionen, in diesem Jahr um voraussichtlich 3,5% in
Ostdeutschland, die Nachfrage nach Bauleistungen im nächsten
Jahr steigen dürften (Handelsblatt
30.9.97). Die Graphik gibt Auskunft über
die bisherige Entwicklung der Produktion im Bauhauptgewerbe.
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Die leichte Zinssteigerung seit Anfang
August hat ihren Ursprung in den etwas gestiegenen US-Renditen.
Im Laufe dieser Entwicklung schmolz der Renditevorsprung
zehnjähriger US-Anleihen (gegenüber den vergleichbaren
deutschen Papieren) auf 0,75 %. Der leichte Zinsanstieg der
vergangenen Monate wird sich höchstens so verhalten fortsetzen,
wie er gegewärtig stattfindet (obwohl die Bundesbank beim
Diskont- und Lombardsatz sicherlich in der nächsten Zeit noch
leicht nach oben korrigieren wird, wobei dann aber weitere
Erhöhungen mittelfristig ausgeschlossen erscheinen). Damit
werden die monetären Rahmenbedingungen für ein Fortschreiten
der konjunkturellen und wirtschaftlichen Erholung weiterhin
günstig bleiben. Gefahr droht höchstens von den USA; wenn die
dortigen Zinsen weiterhin und schneller steigen, könnten das in
ihrem Sog auch die deutschen Zinsen tun.
Die Graphik aktuellste saisonbereinigte Zahlen der
Deutschen Bundesbank hilft bei der Prognose der
Kostenentwicklung bezüglich der Lohnseite:
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Die Lohn-Produktivitätslücke ist von über 75% gefallen und hat für das zweite Quartal 1997 einen Wert von 22% angenommen. Dies ist gleichbedeutend mit der Tatsache, daß die Lohnkosten pro Umsatzeinheit (gemessen als Quotient aus nominellen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit und nominellem Bruttoinlandsprodukt) in Ostdeutschland 22% höher liegen als in Westdeutschland. Die Lohnlücke (gemessen als Quotient aus nominellen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit und Beschäftigtenzahl) hat sich von etwa 55% auf 73% verringert. Dies hätte für sich genommen zu einer Erhöhung der Lohn-Produktivitätslücke führen müssen. Da sich aber gleichzeitig auch die Produktivitätslücke (gemessen als Quotient aus nominellem Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigenzahl) von unter 40% auf über 60% verringert hat, war das Sinken der Lohn-Produktivitätslücke möglich. Die (nominelle) Produktivitätslücke sank allerdings nur deshalb so schnell, da es den ostdeutschen Unternehmen gelang, höhere Preise am Markt durchzusetzen. Gemessen an dem realen Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigem (reale Produktivitätslücke) verlief die Entwicklung nämlich wesentlich gemäßigter, da sich diese Lücke nur von etwa 30 auf 40% verringerte. Die Graphik belegt, daß sich der Anpassungsprozeß seit 1993/1994 verlangsamt hat. Da sich die reale Produktivitätslücke seit 1994 nur noch sehr langsam schließt, hängt die weitere Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lohn-Produktivitätslücke davon ab, inwieweit es den Unternehmen gelingt, weitere Lohnerhöhungen in den Preisen ihrer Produkte weiterzuwälzen. In den einzelnen Sektoren ergibt sich ein wesentlich differenzierteres Bild: Im Dienstleistungsbereich lag die Lohn-Produktivitätslücke 1996 bei über 40% mit seit 1994 sogar wieder steigender Tendenz, beim Handel und Verkehr auf gesamtwirtschaftlichen Niveau, im Verarbeitenden Gewerbe bei etwa 18%. Im Baugewerbe Ostdeutschlands ist die Lohn-Produktivitätslücke 1996 geschlossen, da die Lohnlücke von 77,1% von der Produktivitätslücke (77,4%) kompensiert wurde. Während die (nominelle) Produktivitätslücke im Verarbeitenden Gewerbe 1995 bei etwa 60% lag, ergibt sich disaggregiert ein wesentlich differenzierteres Bild. In der Kokerei, Mineralölverarbeitung etc. entsprach der Umsatz je Beschäftigten in Ost nur 23% der des Westens, während in der Tabakverarbeitung die nominelle Ausbringung pro Beschäftigten mit 101,7 über der des Westens lag (vgl. hierzu IWH Wirtschaft im Wandel 13/97 und Handelsblatt 1.10.97 S.8).
Aktualisierter Prognosespiegel für 1997 (Neue Bundesländer):
BMWI (Rexroth): 2,5% Wachstum des realen BIP (Altmark-Zeitung v. 22.1.1997, S. 24)
DIHT: 1 bis 3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IW: 3,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996,S. 10)
Sachverständigenrat: 2¼ % Wachstumdes realen BIP (Sachverständigenrat 1996/97)
1. HJ. 97: 3,5% und 2. HJ. 97: 1%
WSI: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
Die Forschungsinstitute:
Insgesamt: 2% reales Wirtschaftswachstum (Sozialpolitische Umschau vom 11.11.96) nach
2% reales Wirtschaftswachstum (Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute)
1998 ebenfalls 2% (Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute)
DIW: 1,5% Witschaftswachstum (DIW Wochenbericht 27/97) nach
etwa 1% Wirtschaftswachstum (Volksstimme v. 8. 1. 1997)
1,5% Wirtschaftswachstum für 1998 (DIW Wochenbericht 27/97)
HWWA: 2,5% Wachstum des realen BIPHandelsblatt v. 17.7.1997, S.4)nach
3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)und
3% Wachstum des realen BIP für 1998 (Handelsblatt v. 17.7.1997)
Ifo: 2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IfW (Kiel): 2,3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 26.6.1997) nach
3,2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
2,8% Wachstum des realen BIP für 1998 (Handelsblatt v. 26.6.1997)
IWH: 2,6% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 26.6.97) nach
2,4 % Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 19.3.1996, S. 5)
2,8% Wachstum des BIP für 1998 (Handelsblatt v. 21.7.97)
RWI: 2% Wachstum des realen BIP (FAZ v. 15.7.97) nach
2,75 % Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 20.12.1996, S. 5)
2,5% Wachstum des BIP für 1998 (FAZ v. 15.7.97, S. 15)
Die Banken:
Bundesverband der
Deutschen Volksbanken
und Raiffeisenbanken: um etwa 2% (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
Deutsche Bank: 2,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
DG-Bank: über 2,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
WestLB: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Bredl, G. (Export)
Helmecke, K. (Investitionen); König, A.(Konsum); Schulze, M. (Staat);
Patzig, W. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de