Konjunkturteam "Altmark"
Bericht IV/97 vom 20.Oktober 1997


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Lageanalyse 3. Quartal 1997:

Datenlage

Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)
(Gesamtdeutschland))
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)

1992

13,5 %

14,5%

7,8 %

-30,2

8,1 %

1993

10,5 %

15,1 %

8,9 %

-23,4

6,4 %

1994

3,7 %

15,2 %

9,8 %

-34,2

6,7 %

1995

2,1 %

14,0 %

5,3 %

-33,8

6,5 %

1996

2,2 %

15,7 %

2,0 %

-21,0

5,6 %

2. Quartal 1996

2,7 %

15,4 %

3,0 %

-5,3

5,8 %

3. Quartal 1996

2,1 %

15,0 %

3,1 %

-12,2

5,7 %

4. Quartal 1996

1,6 %

15,2 %

2,5 %

-1,2

5,2 %

1. Quartal 1997

1,7 %

18,6 %

3,3 %

-9,2

5,3 %

2. Quartal 1997

1,7 %

17,3 %

1,1 %

+5,3

5,0 %

Juli 1997

2,7 %

18,1 %

   

4,9 %

August 1997

2,4 %

18,3 %

   

5,1 %

September 1997

2,5 %1)

18,3 %2)

     

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1) Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v. 10.10.97 2) Bundesanstalt für Arbeit; Pressemitteilung 56/97


Nachfrageseitige Faktoren

Der private Konsum wollte im letztem Quartal nicht der allgemeinen Aufbruchsstimmung folgen. Das Stimmungsbarometer des deutschen Einzelhandels, der BBE- Index sank sogar von 83,25 Punkten im Juli auf 71,23 Punkte im September. (BBE-Unternehmensberatung Köln, Handelsblatt). Dies ist der tiefste Stand seit Dezember letzten Jahres. Der hohe Pessimismus bei den Einzelhändlern wird mit der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen schwachen Kaufkraft begründet. So sank die Nettolohn und -gehaltssumme im 2. Quartal um 2,4 % (Hauptverband des deutschen Einzelhandels, August 1997). Desweiteren sorgen steigende Wohnnebenkosten für stagnierenden Konsum in den neuen Ländern. So stiegen die Abwasserpreise um 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Volksstimme 24.9.97). Das Trinkwasser verteuerte sich im letztem Jahr um 3,3 Prozent, damit lag diese Teuerung über der Inflationsrate. Auch der hohe Dollar sorgt mit den daraus entstehenden hohen Importpreisen für eine allgemeine Konsumschwäche. So verteuerten sich bis zum August Kraftstoffe um 5,7 % und Heizöl gar um 9,4 %(Statistisches Bundesamt 9.9.97). Die seehofersche Gesundheitsreform bewegt die Konsumenten zu erhöhten Ausgaben im Gesundheitsbereich. Die Einzelhändler können davon aber nicht profitieren. Trotzdem sinkt der Konsum nicht. Das resultiert aus dem sinkendem Sparverhalten der Konsumenten. Sie wollen ihren Lebensstandard halten und brauchen so ihre Ersparnisse auf. Die Sparquote (gesamtdeutsch) sank im 2. Quartal unter die 10%-Marke (Hauptverband des deutschen Einzelhandels, August 1997).

Nach einem schwachen Jahresbeginn hat die Konjunktur einen leichten Anschub. Durch die Verbesserung der Absatzchancen und der Ertragslage werden verstärkt Ausrüstungsinvestitionen ausgelöst. Diese wurden zusätzlich von der Attraktivität der Zinslage unterstützt
(Handelsblatt 16.07.97). Auch wenn die Steigerung der Produktion relativ gering ist, werden Unternehmensinvestitionen trotzdem getätigt. Um jedoch die Gesamtbeschäftigung zu steigern, muß die Investitionstätigkeit weiter belebt werden. Ein Ausweg aus der Krise der Investitionsförderung in Ostdeutschland ist vorerst nicht in Sicht. Trotzdem liegt die Investitionsförderung im Jahre 1997 höher als in 1996. Potentielle Investoren verhalten sich aufgrund der politischen Unsicherheit aber weiterhin abwartend. Daraus resultiert, daß trotz jüngster positiver Konjunkturdaten die Aussicht auf den weiteren Aufschwung zurückhaltend ist (Volksstimme 18.09.97). Die Hersteller von Investitionsgütern hatten im Juli/August 1997 gegenüber den Vormonaten eine Erhöhung des Bestellvolumens von 2,5% zu verzeichnen (Handelsblatt 06.10.97). Für das 2. Vierteljahr ergab sich ein Umsatzanstieg von 9,4% gegenüber dem Vorjahr, der somit wesentlich höher lag als im ersten mit +4,6% Zuwachs (BMWi Monatsbericht8/97). Es kommt in den Neuen Bundesländern aber immer wieder zu Eigenkapitalmangel und Liquiditätsengpässen.

Bei den Einnahmen des Staates wuchsen lt. Stat. Bundesamt vor allen die Sozialbeiträge mit +5% sehr stark, das Steueraufkommen ging allerdings um 1,1% zurück. Insgesamt erhielt der Staat jedoch 1,4% mehr Abgaben. Wenn auch die Ausgaben weniger stark stiegen als die Einnahmen, beträgt die Finanzierungslücke im 1. Halbjahr 1997 gegenüber dem 1. Halbjahr 1996 immerhin noch 3,1% bzw. 54,3 Mrd. DM (-3,3 Mrd. DM). Beim Staat ist vor allem die jetzt beschlossene Senkung des Soli-Zuschlages zum 1.1.1998 um 2%-Punkte von 7,5% auf 5,5% zu erwähnen. Dies bedeutet eine Entlastung der Bürger von ca. 7,5 Mrd. DM. Der Bundesfinanzminister Theo Waigel läßt den Bundesbürgern aus der Senkung des Soli-Zuschlages nur 1 Mrd.DM zukommen, die Gegenfinanzierung der restlichen 6,5 Mrd. DM erfolgt über den Erblastentilgungsfond. Aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden verbessert, so wurden und werden derzeit die Bundesbeteiligungen privatisiert, die abgeschafften Vermögens- und Gewerbekapitalsteuern verhelfen hoffentlich zu weiteren positiven Impulsen. Bei der Förderung mittlerer und kleiner Unternehmen wurden vor allem auch durch die Einrichtung der Existenzgründerzentren Anreize und Umsetzungsmöglichkeiten für Ideen geschaffen, wodurch zahlreiche kleine Firmen entstanden, die den Arbeitsmarkt um geschätzte 11000 Arbeitnehmer entlasteten.

Der steile Aufwärtstrend der deutschen Exportwirtschaft setzte sich wie prognostiziert auch im 3. Quartal dieses Jahres fort. Die saison- und preisbereinigten Umsätze der neuen Bundesländer mit dem Ausland betrugen im Verhältnis zum jeweiligen Vorjahresmonat im Mai + 22,5 % (auf jetzt 1,6 Mrd DM), im Juni + 27,7 % (auf 1,8 Mrd DM) und im Juli + 41,5 % (1,7 Mrd DM)
(Statistisches Bundesamt, div. Pressemitteilungen). Die Betriebe Sachsen-Anhalts exportierten im Juli Waren im Werte von rd. 260 Mio DM (Statistisches Landesamt Pressemitteilungen 19.09.97). Die Gründe für den Export-Boom liegen zum einen in der Abwertung der DM gegenüber US-Dollar, Yen und brit. Pfund und zum anderen darin, daß die Unternehmen durch Innovation und Kostensenkungen deutsche Produkte auf dem Weltmarkt wieder konkurrenzfähig gemacht haben. So konnte zum Beispiel die gesamtdeutsche Automobilindustrie mit 8 Prozent mehr Export-Umsatz in den ersten sieben Monaten aufwarten (Volksstimme).

Die Bauwirtschaft

Für die Geschäftslage im ostdeutschen Baugewerbe wurde im August 1997 das bisherige Jahreshoch verzeichnet, gemäß einer IWH-Umfrage. So bezeichnete auch das Gros der befragten Unternehmen ihre laufenden Geschäfte als gut oder eher gut, der Saldo aus positiven und negativen Wertungen sank jedoch von 41 (8/1996) auf 15 im August 1997 (Wirtschaft und Wandel 13/1997). Gegenüber den weiteren Vorjahren ist dies jedoch ein noch größerer Rückgang. So wurden zwar beispielsweise mit 22306 Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser (14 prozentige Zunahme gegenüber dem Vorjahr) die bislang größte Anzahl von Bauzustimmungen in einem Halbjahr erteilt (Volksstimme), aber im ganzen ist die Entwicklung der Nachfrage auf dem ostdeutschen Baumarkt im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Das wird auch in den Erwartungen der Bauunternehmen deutlich, denn 47% der Unternehmen erwarten eher schlechte bzw. schlechte Geschäfte (Wirtschaft und Wandel 13/1997). Mit gerade noch +5 wurde der geringste Augustsaldo seit Befragungsbeginn ermittelt. So nahmen auch erstmals in Ostdeutschland die Zahl der neugenehmigten Wohnungsbauten ab. Nach jahrelang stetigem Anstieg sank nun diese Zahl um 4,4% gegenüber dem ersten Halbjahr 1996, offenbar infolge der verminderten Abschreibungsmöglichkeiten (Volksstimme). Die Baunachfrage in Ostdeutschland zeigt sich für die künftige Zeit weiter abfallend, da in allen Sparten die Ordertätigkeit saisonbereinigt abwärts weist. Auch der Volumenindex der Auftragseingänge für das Bauhauptgewerbe sank im ersten Halbjahr 1997 saisonbereinigt um 11% gegenüber den Monaten Juli bis Dezember 1996 (ein Minus von 13% im Vorjahresvergleich) . Dabei sind außerordentlich hohe Abnahmen im gewerblichen (minus 28%) und öffentlichen Hochbau (minus 20%) wahrzunehmen. Doch auch im Wohnungsbau, Straßen- und öffentlichen Tiefbau wurden Auftragsrückgänge von bis zu 12% gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet (Wirtschaft und Wandel 13/1997). Seit Februar verläuft die Produktion allerdings stabil, und die Indexwerte pendeln nur zwischen 184 und 191. Im Hinblick auf diese zu hohen Kapazitäten dürften laut Ifo die Investitionen für die ostdeutsche Bauwirtschaft für 1997 erstmalig seit Jahren mit 1,8 Milliarden unter die Zwei-Milliarden-Grenze (Rückgang um 16%) fallen (Volksstimme 29.9.97).

Angebotsseitige Faktoren

In den Sommermonaten bewegten sich die Zinsen am deutschen Kapitalmarkt weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen, die im März immerhin noch bei durchschnittlich 5,25% lag, erreichte Mitte Juli wieder einen sehr niedrigen Wert von 4,75%. Seitdem erholte sie sich aber wieder leicht, so daß sie Mitte September bei ca. 5% lag. Insgesamt kann man feststellen, daß sich die Rendite der kurzfristigen Papiere leicht erhöhte und die der langfristigen leicht gesunken ist. Kaum verändert haben sich in den letzten Monaten auch die Zinsen für Bankkredite. Kontokorrentkredite (für Beträge unter 200.000 DM) waren mit ca. 10% zu bezahlen, für größere Beträge lag der Wert ca. 2,3% niedriger. Hypothekendarlehen lagen bei gut 5,75% (bei fünfjähriger Zinsbindungsfrist) beziehungsweise 6,75% (bei zehnjähriger). Den Diskont- bzw. Lombardsatz beließ die Bundesbank auf ihren Werten vom April 1996, nämlich 2,5% bzw. 4,5%. Den Satz für Wertpapierpensionsgeschäfte, der seit August 1996 bei 3,0% lag, erhöhte sie bei der letzten Zentralbankratssitzung auf 3,3% und folgte damit dem allgemeinen Trend. Die Hypothenbanken wurden wohl von der Bundesbankentscheidung überrascht. Nachdem sie am Tage der Bundesbankentscheidung noch Ihre Zinsen um 0,15%-Punkte zurückgenommen (Altmark-Zeitung 10.10.1997) hatten, erhöhten sie diese Mitte dieser Woche wieder (Altmark-Zeitung 16.10.1997).

Im September wurde der neue Mindestlohntarifvertrag der Bauwirtschaft für allgemeinverbindlich erklärt. Der Mindestlohn für die neuen Bundesländer beträgt damit 15,14 DM. Eine Untersuchung der IG Bau brachte diesbezüglich jedoch andere Werte zum Vorschein. Sechs bis acht DM sind keine Ausnahme. In der Altmark zahlte eine Baufirma nur 4 DM Stundenlohn. Neuerdings kommt Bewegung in die allgemeine Tariflandschaft. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befürwortet deutliche Lohnerhöhungen in den kommenden Tarifrunden, da dadurch der private Konsum einen langherbeigesehnten Aufschwung erleben könnte. Allerdings wurde für die Neuen Bundesländer eine tarifpolitische Mäßigung empfohlen, weil die derzeit festzustellenden Produktivitätszuwächse nachhaltige Lohnerhöhungen noch nicht finanzieren könnten
(Volksstimme v. 08.10.97). Das Statistische Bundesamt teilte mit, daß der Ost-Verdienst im letzten Quartal von 71,5 auf 72,7 % des Westniveaus gestiegen ist. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) vertritt im Bezug auf die Mindestlöhne eine gegenteilige Meinung. Es sieht den "faktisch zu hohen Mindestlohn" in Deutschland als eines der größten Hindernisse für das Ausschöpfen des Arbeitsplatzpotentials an. Dieser Auffassung schloß sich auch die Bundesregierung, sprich Bundeswirtschaftsminister Rexrodt, an. Positiv anzumerken ist auch, daß der Anteil der Lohnkosten am Umsatz der Unternehmen seit 1993 (z.B. 1. Quartal 93: 78,3 DM pro 100 DM Umsatz) deutlich gesunken ist (FAZ v.15.08.97). Ursachen hierfür seien unter anderem die zurückhaltende Tarifpolitik der Gewerkschaften bzw. der Anstieg der Produktivität in den Unternehmen. Dies läßt sich an folgenden Zahlen belegen: Die Lohnkosten je Umsatzeinheit liegen nach einem Rückgang um 4% bei 69,7 DM pro 100 DM, je Produkteinheit verringerten sie sich im Vergleich zum letzten Quartal um 4,5 % und liegen jetzt bei 102,5. (Deutsche Bundesbank Saisonbereinigte Zahlen 9/97).

 




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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Bredl, G. (Export)
Helmecke, K. (Investitionen); König, A.(Konsum); Schulze, M. (Staat)
Patzig, W. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de