Konjunkturteam "Altmark"
Bericht III/99 vom 15. Juli 1999


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Prognose:

Konjunkturindex des Konjunkturteams "Altmark": (Prognose 3. Quartal 1999)

Keine Abwärtsbewegung im Produzierenden Gewerbe

Tatsächliche und prognostizierte Werte des Indexes der Nettoproduktion in den neuen Bundesländern




Nachfrageseitige Faktoren
Für die Entwicklung des privaten Konsums werden unterschiedliche Erwartungen geäußert. So vermittelt das ICON-Konsumbarometer mit Werten von 105 im März und 106 im April eine gedämpft optimistische Haltung der Konsumenten. (Handelsblatt, 28.4, 31.5.99) Es wird allerdings darauf hingewiesen, daß die Sparquote gestiegen ist. (Handelsblatt, 31.5.99) Somit scheint sich auch das Sicherheitsdenken der Konsumenten der Neuen Bundesländer zu verfestigen. Des weiteren zeichnet sich ab, daß die Konsumenten eine leichte Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage erwarten, jedoch keine wesentliche Verbesserung für wahrscheinlich halten. Insoweit bleibt das Konsumentenverhalten eine unwägbare Größe. Die auf Befragung von Einzelhandelsunternehmen basierenden Prognosen zeichnen dagegen ein eher pessimistisches Bild. So werden nach dem BBE-Index die Geschäftsbedingungen überwiegend negativ eingeschätzt. Lediglich 24% der Einzelhändler erwarteten im Mai eine Umsatzsteigerung. (Handelsblatt, 8.6.99) Der Ifo-Geschäftsklimaindex lag im April bei -21,8 und bei -20,3 im Mai. Es wird auch deutlich, daß weiterhin von sinkenden Preisen ausgegangen wird. Auch im Juni haben sich die Erwartungen nicht aufgehellt. Die Einzelhändler "befürchten noch häufiger eine Verschlechterung in den nächsten Monaten." (ifo-Wirtschaftskonjunktur 6/99) Eine Ursache der schlechten Erwartungen der Einzelhändler kann die Verlagerung des Konsums von Handelsgütern auf Dienstleistungen sein, über welche leider nicht ausreichendes Zahlenmaterial verfügbar ist.

Wie schon bei der Erörterung der Lage beschrieben, lassen sich bezüglich der Investitionen in den Neuen Ländern mehr oder weniger nur Vermutungen anstellen. Eine Besserung der inländischen Auftragseingänge bei den Investitionsgüterproduzenten (vgl. Lage) kann sowohl durch das westdeutsche wie auch durch das ostdeutsche Unternehmerverhalten begründet werden. Ein möglicher Grund hierfür könnte die Furcht vor steigenden Zinsen sein, welche die Finanzierungskosten steigen ließen. Dies träfe aber für Ost- und Westdeutschland gleichermaßen zu. Aufschlußreicher ist ein Blick auf die unterschiedlichen Kapazitätsauslastungen. Während die Kapazitätsauslastung im westdeutschen Verarbeitenden Gewerbe mit 84,7% unter dem Vorjahreswert von 86,9 liegt (Stand März), ist sie in Ostdeutschland von 80,7 auf 82,1% gestiegen. In der Bauindustrie Westdeutschlands ist die Geräteauslastung von 58,5 (April 98) auf 64,3% (April 99) gestiegen, in Ostdeutschland von 66,9 auf 72,4% gestiegen. Somit könnte ein wachsender Anteil der Auftragseingänge aus Ostdeutschland kommen.

Staatlicherseits können die neuen Bundesländer zwischen 2000 und 2006 mit 37,5 Mrd. DM (+40%) an Strukturfördermitteln der EU als Ziel-1-Gebiet rechnen. Im Gegenzug will die EU die Beihilfen für die neuen Bundesländer ab dem Jahr 2000 streichen. Für ein Ende der Ostförderung ab 2004 spricht sich auch BDI-Chef Henkel aus. Den Wegfall der pauschalen Sonderförderung der Ostunternehmen, jedoch ein Weiterbestehen der Regionalförderung, der sozialen Transfers und des Finanzausgleichs fordert das IWH. Die Mittel des Bundes zur Wirtschaftsförderung Ost sinken um 0,3 auf 2,3 Mrd. DM ab. Der Soli-Zuschlag soll laut Minister Eichel auch nach dem Jahr 2004 bestehen bleiben. Im Jahre 2001 wird voraussichtlich schon die BvS aufgelöst (Kosten: circa 2,2 Mrd.DM bis 2003). Bei den "Bündnis für Arbeit" Gesprächen wird ein Niedriglohnsektor (ohne SV-Abgaben), ein Annahmezwang für zumutbare Beschäftigung und die Zusammenlegung der AL mit der SV-Versicherung diskutiert. Die Steuerreformpläne sehen u.a. die Abschaffung der Abschreibungen der Bewirtungskosten (Ersparnis 1 Mrd. DM), die Streichung der Steuervergünstigungen für Landwirte (0,8 Mrd. DM) sowie Abschreibungszeitraumverlängerungen bei den Unternehmen vor (8 Mrd. DM). Eine Abschaffung des Steuerprivilegs für Lebensversicherungen ist im Gespräch.

Sollte es der ostdeutschen Exportindustrie gelingen sich weiter von den Krisenregionen wie Rußland und Südostasien abzukoppeln, dann spricht nichts gegen eine zunehmende Erholung dieses Sektors. Die steigenden Auftragseingänge (Wirtschaftswoche Nr. 25, 17.6.99) im April und Juni, bilden eine gute Voraussetzungen dafür. Auch Ansätze in einer gesteigerten Umorientierung in die Eurozone oder nach mitteleuropäischer Reformländer bestehen. Desweiteren brauchen ostdeutsche Exportunternehmen den amerikanischen Markt mit einem eigenen Anteil von 8,6 Prozent gegenüber 12 Prozent in den Altbundesländern und den Wettbewerb nicht mehr scheuen. Die Exportchancen dürften besonders für Teile des ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbes besser werden. Das vom ifo-Institut - allerdings für Gesamtdeutschland - erhobene Exportklima liegt zwar noch im negativen Bereich, ist aber seit längerem gestiegen. (WirtschaftsWoche Nr. 25 17.6.99)

Bitte anklicken!



Die Bauwirtschaft
Trotz einvernehmlicher Lösungen zur Vermeidung der Winterarbeitslosigkeit am Bau, ist die Situation der Bauwirtschaft weiterhin problematisch. (Volksstimme 07.06.1999) Angesichts der aktuellen Lage sind die Erwartungen für das Jahr 1999 nicht mehr so hochgeschraubt, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Aber die Stimmung im ostdeutschen Baugewerbe läuft gegen den allgemeinen Trend: Der Saldo zwischen optimistischen und pessimistischen Produktionserwartungen hat sich von minus 30 auf minus 11 Prozentpunkte verbessert. Immerhin knapp 13 Prozent der Unternehmen planen sogar, wieder mehr Stellen einzurichten. Rückt damit in der ostdeutschen Bauwirtschaft das Ende der Talsohle etwas näher? (iwd 27.05.1999) Auch das Stimmungsbarometer des IWH scheint diese Argumentation zu stützen. Immerhin übertrifft der jüngst veröffentlichte Juni-Wert die Vorjahreswerte. Nur der Wert aus dem Jahre 1996 liegt höher. (WirtschaftsWoche , Nr. 28, 8.7.99) Kurzfristig steigende Hypothekenzinsen überzeugen vielleicht gegenwärtig noch unschlüssige Bauherren ihr Vorhaben zu beginnen.

Angebotsseitige Faktoren
Durch die Umstellung der Amtlichen Statistik auf die Europäische Basis (ESVG '95) sind nun auch keine gesamtwirtschaftlichen Lohnkostenvergleiche mehr möglich. Im Verarbeitenden Gewerbe liegen, wie das Bild zeigt, die Lohnkosten im Osten weiterhin unter denen des Westens. Natürlich ist die Produktivität in diesem Sektor auch noch geringer, so daß sich hieraus nicht auf die Lohnstückkosten schließen läßt. Modernisierte Betriebe dürften allerdings schon länger geringere Stückkosten aufweisen als Betriebe im Westen. Abzuwarten bleiben die Wirkungen der Neuregelungen der 630,- DM Jobs. Noch spricht der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Jagoda davon, daß es keine Belege dafür gibt, daß die geltende Regelung seit 1.4.1999 zu Massenkündigungen geführt hat. (Handelsblatt, 10.06.1999) Außerdem könnte eine Senkung der 630 DM-Jobs auch zu neuen Stellenmeldungen führen. (Pressemitteilung des Bundesanstalt für Arbeit, 10.6.1999)

Bitte anklicken!



Es wird im nächsten Quartal keine Zinssenkung der EZB geben. Denn zum einen ist der Spielraum nach unten sehr eng und japanische Zinssätze Utopie. Zum anderen ist eine Erhöhung aus unserer Sicht kontraproduktiv und das aus mehreren Gründen. Die Geldmengenentwicklung ist stabil und zeigt einen harten EURO im Innenwert, so daß Inflation im Moment nicht unmittelbar erfolgen wird. Auch der Wechselkurs zum Dollar ist nicht das derzeitige Problem, da die Rohstoffpreise in Dollar fakturiert werden und da die Rohstoffe (Ausnahme Öl) derzeit günstig sind, auf einem niedrigen Niveau, ist hier die Inflationsgefahr eher gering, siehe Inflation. Auch ist schwer abzusehen, wie sich die EZB einem im Außenwert schwachen EURO stellen wird. Der vielbeschworene konjunkturelle Aufschwung steht auf sehr tönernen Füßen. Zudem würde ein Zinsanstieg die belasteten Staatshaushalte stärker unter Druck setzen (siehe Neuverschuldung von Italien und die Konsolidierung des deutschen Haushaltes). Auch der Kosovo-Einsatz darf nicht vergessen werden. Dabei sind die zukünftigen Kosten hinsichtlich der KFOR-Truppen noch im dunklen und auch sehr schwer einschätzbar, was beim Einsatz der SFOR-Einheiten in Bosnien sehr deutlich zu sehen war. Weiterhin muß die Infrastruktur wieder hergerichtet werden, was die europäischen Haushalte weiter belasten wird. Daher sind wir einem möglichen Zinsschritt gegenüber sehr skeptisch eingestellt.




Aktualisierter Prognosespiegel für 1999 und 2000 (Neue Bundesländer):

Bundesregierung: 2-2,5% Wirtschaftswachstum (Sozialpolitische UmschauNr. 110 v. 22.03.1999)nach
2,0% Wirtschaftswachstum
(Handelsblatt 07.01.1999)
IG Metall: 2,7% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.98)
Sachverständigenrat: 2,0% reales Wachstum (Handelsblatt 24.12.1998)

Die Forschungsinstitute:

Insgesamt: 2,0% Wachstum des realen BIP (Fruehjahrsgutachten der Forschschungsinstitute 27.04.1999) nach:
2,3% Wachstum des realen BIP (Herbstgutachten der Forschschungsinstitute 16.10.1998) und:
2,0% Wachstum des realen BIP fÜr 2000
(Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute 12.04.1999)
DIW: 0,8% Witschaftswachstum (Süddeutsche Zeitung 07.01.1999) nach:
2,2% Wirtschaftswachstum
(DIW Wochenbericht 27/98)
HWWA: 2,4% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.1998) nach:
2,7% Wirtschaftswachstum
(HWWA-Info 15/98)
Ifo: 1,5% Wirtschaftswachstum (Süddeutsche Zeitung 18.12.1998) nach:
2,5% Wirtschaftswachstum
(Wirtschaftkonjunktur 7/98)
IfW (Kiel): 2,7% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.1998)nach:
2,5% Wachstum des realen BIP
(Handelsblatt v. 21.09.1998)
IWH: 2,3 % Wirtschaftswachstum (Wirtschaft im Wandel 1/1999 S.3) nach:
2,6% Wachstum des realen BIP
(Wirtschaft im Wandel 9-10/98)
RWI:2,4% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 02.03.99)
nach:
2,5% Wirtschaftswachstum
(Handelsblatt 24.12.1998)nach:
3,5% Wachstum des BIP
(Handelsblatt v.26.02.98)und:
3,2% Wachstum des BIP für 2000
(Handelsblatt 02.03.98)
IW (Köln):2% Wirtschaftswachstum (iwd Nr.1, 07.01.1999)

Die Banken:

Commerzbank: 1,6% Wachstum des realen BIP(Konjunkturdaten BRD 3/99) nach:
2,8% Wachstum des realen BIP
(Konjunkturtrend Februar 1998)und:
2,3% Wachstum des BIP für 2000 (Konjunkturdaten BRD 3/99
DB-Research:2,5% Wachstum für 1999 (Handelsblatt v. 04.06.98, S.6)
NordLB: 1,9% Wachstum des BIP und
2,8% Wachstum des BIP für 2000
(Wirtschaftslage Februar 99 Nord/LB)
WestLB: 2% Wachstum des realen BIP (16.04.99 http://www.westlb.de)und
2,5% Wachstum des realen BIP für 2000
(16.04.99 http://www.westlb.de)




[Seiten Anfang] [vorherige Seite] [Home] [Lagebericht]


Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Fehse, N.(Arbeitslosigkeit); Schrader, A. (Bauwirtschaft); Jacob, R. (Export);
Brückmann, B. (Inflation); Bradler, F. ; Braunsdorf, K. (Investitionen); Nothnagel, J. (Konsum);
Fehse, N. (Löhne); Schulze, M. (Staat); Patzig, W.(Wachstum); Brattan, M. (Zins)


Redaktion:

Dipl. Volkswirt Nothnagel, J.

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.fh-magdeburg.de