Konjunkturteam "Altmark"
Bericht III/99 vom 15.Juli 1999


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Lageanalyse 2. Quartal 1999:

Datenlage
 
 
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)1)
(Gesamtdeutschland))
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)

1992 13,5 % 14,5% 7,8 % -21,0 8,1 %
1993 10,5 % 15,1 % 8,9 % -14,9 6,4 %
1994 3,7 % 15,2 % 9,8 % -36,5 6,7 %
1995 2,1 % 14,0 % 5,3 % -27,1 6,5 %
1996 2,2 % 15,7 % 1,9 % -8,4 5,6 %
1997 2,1 % 18,1 % 1,6 % -2,4 5,1 %
1998  1,2 % 2) 18,2 %  2,1 %  -6,2 4,5 % 
2. Quartal 1998 1,6 % 18,2 % 0,0 % +5,1 4,8 %
3. Quartal 1998 0,8 % 16,9 % 1,6 % -5,7 4,7 %
4. Quartal 1998 0,67 % 16,3 % 0,9 % +0,98 3,9 %
1. Quartal 1999 0,2 % 18,8 %   -5,4 3,7 %
2. Quartal 1999 0,4 % 2) 17,0 %      
April 1999 0,6 % 17,8 %   +5,5 3,6 %
Mai 1999 0,3 % 17,0 %     3,7 %
Juni 1999 0,2 %2) 16,8 %3)      

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1)Im Rahmen der diesjjährigen Revision der Leistungsbilanzdaten wurden methodische Änderungen vorgenommen 2)Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v.12.07.99 3) Bundesanstalt für Arbeit Pressemitteilung v. 06.07.99

Nachfrageseitige Faktoren
Eine skeptische Beurteilung des privaten Konsums als Konjunkturmotor bleibt weiterhin angebracht. So haben 36% der Einzelhändler Umsatzeinbußen hinnehmen müssen und bei 32% stagnierten die Umsätze (Handelsblatt 8.6.99). Der BBE-Index, der die Stimmung der Einzelhändler wiedergibt, ist nach einem Abstieg auf 88,35 Punkte im April wieder auf 99,7 Punkte im Mai gestiegen (Handelsblatt 8.6.99). Auch andere Institute meldeten für den April einen starken Nachfragerückgang im Einzelhandel mit einer teilweisen Erholung im Mai. So war besonders im Verbrauchsgüterbereich ein deutliches Absatzminus zu verzeichnen (Ifo-Wirtschaftskonjunktur 5/1999). Das ICON-Konsumbarometer zeigt zwar eine leichte Verbesserung der Stimmung der Konsumenten an, jedoch wird das Konsumentenverhalten, wegen der Skepsis gegenüber weiteren Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage, als unwägbar bezeichnet.

Die Informationen zum Investitionsverhalten in den neuen Ländern sind nur spärlich vorhanden. Um die gegenwärtige Entwicklung abzuschätzen, bleiben nur die Auftragseingänge bei den Investitionsgüterproduzenten. Die Investitionsgüterhersteller erhielten im 0,2% weniger Aufträge aus dem Inland als im Vorjahresmonat. Im März betrug der Rückgang noch 2,9% und im April 1,4%. Insofern könnte sich hier eine Besserung für Gesamtdeutschland abzeichnen. Daten, welcher Anteil aus den Neuen Ländern kam, liegen leider nicht vor.

Dem Staat fehlen im Bundeshaushalt 30 Mrd. DM. Um diese Lücke zu schließen, wurde eine pauschale Ausgabenkürzung je Ressort um 7,4% vorgegeben. Den Löwenanteil davon hat mit -12,8 Mrd. DM Arbeitsminister Riester zu tragen. Dies trifft besonders die Neuen Bundesländer, da hier mit ca. 20% die Arbeitslosenquote doppelt so hoch ist wie in den alten Bundesländern. Von den über das 100.000 Arbeitsplätze Programm vermittelten 142.000 Jugendlichen haben nur 41.000 einen Arbeitsplatz oder eine überbetriebliche Ausbildung bekommen. Nach der Nullrunde im Bau und der Rentenanpassung in den nächsten zwei Jahren nur entsprechend der Inflationsrate wird nun auch über die Einbeziehung der Lohnsteigerungen in das Bündnis für Arbeit diskutiert. Der Vorschlag von Kurt Beck, nur einen Inflationsausgleich bei den Löhnen zu geben, würde laut Wirtschaftsweisen Peffekoven rund 300.000 neue Arbeitsplätze bringen. Da der Eigenkapitalanteil der ostdeutschen Unternehmen immer noch zu gering ist, um Innovation und Investition durchzuführen oder Durststrecken zu durchstehen, wurde ein Konsolidierungsfond Ost aufgelegt, der mit 420 Mio. DM ausgestattet in diesen Unternehmen circa 5.000 Arbeitsplätze sichern soll. Zudem soll, da 1,2 Mrd. DM für den Aufbau Ost nicht ausgegeben wurden, der "Katalog der Förderzwecke" ausgeweitet werden. Durch ein Sonderförderprogramm der EU (3 Mrd. DM) in Co-Finanzierung mit dem Bund (4,9 Mrd. DM) werden 18 wichtige Verkehrsprojekte in der neuen Bundesländern gefördert. Dabei fällt auf, daß der Transrapid sowie die Ostseeautobahn nicht auf der Liste stehen.

Auch die Exportwirtschaft Ostdeutschlands zeigt sich vorsichtig optimistisch. Dennoch ist der Exportanteil von 15 Prozent in Krisenregionen wie Rußland, als fünftwichtigster Handelspartner, doppelt so hoch wie der in den Altbundesländern mit 6,4 Prozent. (Volksstimme 16.06.) Auch fiel im April diesen Jahres das Wachstum der Auslandsumsätze gegenüber dem Vormonat von ca. 17 Prozent auf ca. 7,5 Prozent und kommt somit der "magischen" Null sehr nahe. Die ostdeutsche Exportindustrie mußte auf Exportmärkte mitteleuropäischer Reformländer ausweichen, deren Bedeutung mit nun 12% immer weiter zunimmt. Dabei entwickelt sich offenbar der Bereich Kraftfahrzeuge (z.B. Sachsenring AG) mit gut zwei Drittel des Gesamtzuwachses zum Exportschlager. (Handelsblatt 15.06)

Die Bauwirtschaft
Zu Beginn des zweiten Quartals diesen Jahres standen die Anhebung des Mindestlohnes und der Tariflöhne und -gehälter im Mittelpunkt der Tarifrunde für die ostdeutsche Bauwirtschaft. (Volksstimme 29.04.1999) Zudem hat die Bundesregierung mit dem Bundeshaushalt '99 eine Sperre für bereits festgelegte Folgeausgaben ab 2000 angekündigt. Dies bedeutet Investitionskürzungen von 7,5 Mrd. DM im Bau- und Verkehrsetat. (Handelsblatt 29.04.1999) Den Beschäftigten in der krisengeplagten ostdeutschen Bauwirtschaft steht nun erstmals eine Nullrunde in bezug auf die Löhne bevor, da bis April 2000 ein Anhebungsstop vereinbart wurde. Die Geschäftslage im ostdeutschen Baugewerbe hat sich laut IWH-Umfrage im April 1999 gebessert. Die Beurteilung der Auftragsbestände hat sich ebenfalls weiter verbessert, und auch die Geräteauslastungen waren etwas besser als im Vormonat. Dabei waren vor allem positive Entwicklungen im Hoch- und Tiefbau zu verzeichnen. Allerdings kann aus dieser Frühjahrsbelebung noch nicht geschlossen werden, daß das ostdeutsche Baugewerbe die Talsohle erreicht hat. Es habe sich lediglich der Nachfragerückgang abgeschwächt. (Handelsblatt 26.05.1999) In den Verhandlungen über das Schlechtwettergeld einigten sich die Tarifparteien und die Bundesregierung darüber, daß sich Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Bundesanstalt für Arbeit die Kosten für den Winterausfall teilen wollen. Zusätzlich wird die Bundesregierung die Bauwirtschaft mit Bauaufträgen auch im Winter unterstützen. (Volksstimme 07.06.1999) Das Bauhauptgewerbe in Ostdeutschland verzeichnet erstmals seit November 1998 wieder mehr Aufträge. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stieg die Nachfrage im April im Jahresvergleich preisbereinigt um 10,7 Prozent. (Volksstimme 15.06.1999)

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Angebotsseitige Faktoren
Im Produzierenden Gewerbe ist ein Anstieg der Bruttomonatslöhne zu verzeichnen. Diese stiegen im Januar 1999 verglichen zum Vorjahresmonat um 2,1% (auf 3853 DM) in den Neuen Bundesländern. Die Angestelltenverdienste nahmen um 2,2% zu. Nur im Handel-, Kredit- und Versicherungsgewerbe erfolgte eine weitere Angleichung des ost- und westdeutschen Verdienstniveaus, da die Verdienste in den Neuen Bundesländern um 2,6% - im Westen nur 2,1% - stiegen. (Statistisches Bundesamt, 17.06.1999) Lehrlinge in den Neuen Bundesländern erhielten 1998 durchschnittlich 1,6% (951 DM) mehr Geld als im Vorjahr, wo sie 1,7% Einbußen hinnehmen mußten. Die Angleichung an das Westniveau erreicht seit 1995 89%. Im Osten erhalten rund 56% über 1250 DM (im Westen 88%). (Volksstimme, 19.06.1999) In den Neuen Bundesländer wurden die Mindestlöhne für entsandte EU - Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft von 15,14 DM auf 16,28 DM erhöht. Damit soll die Beschäftigung einheimischer Bauleute auf Ostbaustellen gesichert werden. Im Osten sind ca. 60% der Beschäftigten nicht tarifgebunden. Trotz der Angleichung an das Westniveau mit 92,8% sind die ostdeutschen tatsächlichen Tarifgehälter aufgrund eines fehlenden 13. Monatsgehaltes und sonstigen Tarifleistungen, die nur ca. 70% Westniveaus aufweisen. (Volksstimme,03.05.1999) In den Neuen Ländern fordert man immer noch eine Pauschalbesteuerung der 630 DM Jobs von 22 DM. Derzeit sind in den Neuen Bundesländern ca. 190000 Personen in geringfügiger Beschäftigung (vor 5 Jahren waren es 77.000 Personen). (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.1999) Die Ostdeutsche Wirtschaft hat vor einem Zurückfahren der Lohnkostenzuschüsse gewarnt. Im Mai wurden 150000 Arbeitsplätze mit Lohnkostenzuschüssen gefördert. Außerdem wird ein Jahr lang bei Firmen, die 6 Monate vor und während der Förderung keine Arbeitsplätze reduzieren, ein Zuschuß für neugeschaffene Stellen von bis zu 2180 DM monatlich gezahlt. (Volksstimme, 12.06.1999) Erfreulich ist die Statistik für Frauen in den Neuen Bundesländern. Diese erhalten bei gleicher Arbeit 89,9% vom Lohn, der an Männer gezahlt wird. In der EU ist der Prozentsatz durchschnittlich bei 76,3%. (Volksstimme, 10.06.1999)

Die EZB beließ die Zinsen bei den gegenwärtigen Sätzen. Interessant war die Entwicklung des Bund-Futures und der Umlaufrendite. Die Umlaufrendite lag auf einem historischen Tiefstand von 3,6%. Gegenwärtig liegt die Umlaufrendite bei ca. 4,1%. Das ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Marktteilnehmer eine zukünftige Zinserhöhung der EZB vorwegnehmen. Bei möglicherweise anziehender Konjunktur und Inflationsgefahr wird dies auch vermutlich geschehen, doch wird dies nicht in nächster Zukunft sein (s.a. Prognose). Der Anstieg der Umlaufrendite ist wohl auch eine Reaktion auf den schwachen EURO und der moderaten Zinserhöhung durch die Fed. Viele Marktteilnehmer sehen in der Entwicklung des EURO`s eine Reaktion auf den Zinsspread zwischen der USA und Europa, weiterhin ist die amerikanische Konjunktur um einiges robuster als in Europa, so daß Anlagegeld in die USA fließt. Dies wird wohl auch in der nächsten Zeit so bleiben, denn auch nur kleinste Steigerungen im Dow Jones und S&P bedeuten absolut gesehen, eine gewaltige Steigerung der Marktkapitalisierung amerikanischer Firmen. So liegt die Marktkapitalisierung im Dow Jones weitaus höher als im europäischen Raum. Sollten die europäischen Märkte den amerikanischen Finanzmarkt outperformen, könnte sich dies positiv auf die Entwicklung vom EURO auswirken.

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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Fehse, N.(Arbeitslosigkeit); Schrader, A. (Bauwirtschaft); Jacob, R. (Export);
Brückmann, B. (Inflation); Bradler, F. ; Braunsdorf, K. (Investitionen); Nothnagel, J. (Konsum);
Fehse, N. (Löhne); Schulze, M. (Staat); Patzig, W.(Wachstum); Brattan, M. (Zins)


Redaktion:

Dipl. Volkswirt Nothnagel, J.
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
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