Konjunkturteam
"Altmark"
Bericht II/97 vom 15.April 1997
Bericht zur Konjunkturlage
(Neue Bundesländer) :
Prognose:
Konjunkturindex des Konjunkturteams "Altmark": Nach wie vor kaum Wachstum in den Neuen Bundesländern
Nachfrageseitige Faktoren
Der Konsum wird weiterhin eine Bremse für die allgemeine
Konjunktur bleiben. Der Einzelhandel lebt vom Stichwort Hoffnung.
Allerdings wird es wohl auch dabei bleiben. Die allgemeine
Arbeitsmarktlage und erhöhte Kosten bei den Mieten und
Sozialleistungen werden die Kaufkraft schwächen. Zwar wirken
anstehende Erhöhungen des Einkommens der Beschäftigten dem
entgegen, aber real werden die Bürger weniger für ihren Konsum
bekommen. So sank die Lohn- und Gehaltssumme im Verarbeitenden
Gewerbe und Bergbau der Neuen Bundesländer im Januar um 1,6% (Stat. Bundesamt 9.4.97). In den
nächsten Monaten werden die Lebenshaltungskosten weiter steigen,
auch bedingt durch den starken Dollar. Die Branchen für
langlebige Wirtschaftsgüter werden darunter besonders zu leiden
haben. Dies zeigt sich insbesondere heute schon an den
Verkaufszahlen in der Fernseher- und Radiobranche. Auch der
Automobil-Markt spricht von Absatzschwäche, auch infolge eines
inzwischen hohen Modernisierungsgrades in den Neuen
Bundesländern. Hoffnung besteht für die Dienstleistungs- und
die Tourismusbranche. Ein guter Sommer wäre hier sehr hilfreich.
Insgesamt geben lediglich insgesamt 17% der ostdeutschen Händler
an, daß sie mit Umsatzzuwächsen rechnen. Laut
BBE-Unternehmensberatung erwarten 43% in den kommenden Monaten
stagnierende Umsatzzahlen (Handelsblatt
7.4.97). Langfristig erwartet der deutsche
Einzelhandel einen Umschwung im Konsumverhalten der Bürger durch
die geplante Steuerreform. Der Hauptverband des deutschen
Einzelhandel rechnet mit einem Umsatzplus von zehn bis zwölf
Mrd. DM (Welt 27.2.97). Es kann nur zu hoffen sein, daß die
Steuerreform auch den gewünschten Effekt mit sich bringt. Eine
wirkliche reale Entlastung des Steuerzahlers könnte dem
Einzelhandel und damit auch der gesamten Konjunktur aus dem
jetzigen Tief helfen.
Da zum Beginn des Jahres 1997 noch keine Klarheit über die zukünftigen Reformschritte zur radikalen Vereinfachung der Ostförderung besteht, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einer Verbesserung des Investitionsklimas zu rechnen. Im Frühjahr wird die Nachfrage nach Ausrüstungsinvestionen vorübergehend belebt sein - diese Belebung hält sich aber auf einem geringen Niveau. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe werden weiterhin mit Eigenkapital- und Finanzierungsproblemen zu rechnen haben. Somit ist weiterhin zu verzeichnen, daß die Ausrüstungsinvestitionen die Schwachstelle der ostdeutschen Konjunktur bleibt.
Staatlicherseits hält Bundesfinanzminister Waigel an seinen Wachstumszahlen fest. Er rechnet weiterhin mit einer Neuverschuldung von 2,9% des BIP´97 nach 3,9% 1996 (Handelsblatt 11.2.97). Dabei sei die Rekordarbeitslosigkeit mit 6-8 Mrd. DM sowie Steuermindereinnahmen bereits eingeplant. Die Wirtschaftshilfe für den Aufbau Ost soll laut Kanzleramtsminister Bohl weiter auf hohem Niveau (ca.140 Mrd. DM p.a.) bleiben, jedoch soll die Investitionsförderung ein größeres Gewicht erhalten. Das geplante 25 Mrd. DM umfassende gesamtdeutsche Konjunkturprogramm, wovon 20 Mrd. DM vom Staat und 5 Mrd. DM privat finanziert werden sollen, würde besonders den u.a. durch den Wegfall der Ost-Bauförderung arg getroffenen Bau, der bis dahin der Motor der Konjunktur war, wieder auf die Beine helfen, denn der Hauptanteil (20 Mrd. DM) wird für Kreditprogramme der KfW und DtA und 5 Mrd. DM durch vorgezogene öffentliche Investitionen ausgelöst (Volksstimme 14.3.97). Zudem verlängert Bonn die Hilfe für den Absatz von Ostprodukten u.a. im Ausland mit über 25 Mio. DM. Die Gewerbekapitalsteuer wird zum 15.5.´97 vorerst in Berlin, Brandenburg und Sachsen eingeführt (= ca. 0,8-1 Mrd. DM in ganz Ostdeutschland), da diese Länder erwarten, daß der Bundestag der rückwirkenden Abschaffung zum 1.1.´97 nicht zustimmt (FAZ 29.3.97). Dies bedeutet eine zusätzliche Belastung selbst auf das ausgeliehene Kapital, welches die dünne Eigenkapitaldecke der Ost-Unternehmen zusätzlich stark belastet. Daneben wirkt sich noch teilweise die Regelwut der Behörden negativ auf das Wachstum aus. So wird z.B. in Sachsen-Anhalt der Bau nur noch in Städten und Grundzentren gefördert. Dies hat negative Folgen für die weitere Entwicklung der Dörfer sowie des ohnehin schon stark strapazierten Baus. Bei Großprojekten, wie z.B. dem geplanten Bau des Großflughafens in der Altmark für ca. 8 Mrd. DM, beklagen sich die Investoren über lange Planungswege.
Das größte Problem der Ost-Unternehmen ist die mangelnde Kapitaldecke und Defizite im Marketing für den Export ihrer Produkte. Weitere Wettbewerbsnachteile sind die geringe Marktkenntnis und der schwache Bekanntheitsgrad ostdeutscher Marken (Südd. Zeit. 5./6.4.97).Das sind die Hauptgründe, weshalb sie im Ausland weniger aktiv sind als West-Unternehmen. Dennoch zeichnet sich hier zumindest kurzfristig ein Umschwung ab. Der zunehmende Optimismus bei der schon angesprochenen Einschätzung der Geschäftslage (vgl. BIP) wird auch durch die Auslandsnachfrage gestützt: "Vor allem die Auftragseingänge aus dem Ausland sind kräftig gewachsen", teilt das IW Halle mit (Handelsblatt 9.4.97). Schon im Herbst 1996 hatten die Unternehmen gemäß einer Umfrage des DIW Umsatzsteigerungen in den Alten Ländern in Höhe von 15% und im Ausland in Höhe von 18% (IW Forschungsreihe 2/1997) erwartet. Dennoch werden die im Vergleich höheren Kosten der Firmen (vgl. Löhne) den Export behindern. Zieht man mangels Daten als Indikator der Exportpreisentwicklung den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts heran, so sieht man, daß dieser in den Neuen Bundesländern seit 1991 etwa dreimal so schnell gestiegen ist wie in den Alten Bundesländern (Deutsche Bundesbank, saisonb. Zahlen). So beträgt der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz im Verarbeitenden Gewerbe und Bergbau der Neuen Bundesländern nur 14%, während er in den Alten Bundesländern etwa 31% ausmacht. Der Anteil der Neuen Bundesländer am gesamten Auslandsumsatz hat nur eine Höhe von 2,6% (Statistisches Bundesamt 9.4.97).
Die Bauwirtschaft
Vor allem die Bauindustrie in den Neuen Bundesländern fürchtet
einen drastischen Rückgang der öffentlichen Bauinvestitionen.
Es sei laut Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in
Ostdeutschland mit einem Rückgang um 16% auf 4 Mrd DM (Welt 30.01.97) zu rechnen.
Zumindest bei den Städten und Gemeinden wird mit einer
gegenläufige Entwicklung zu rechnen sein. So ist in den Neuen
Bundesländern ein Anstieg der Bauausgaben von 2,2% zu erwarten.
Dem entgegen wird die Baubranche aber durch die geplante
Steuerreform belastet. Die Einschnitte bei der Besteuerung von
Immobilien werden als Grund für einen hohen Arbeitsplatzverlust
betrachtet, der wiederum einen Einbruch der Nachfrage bei
Bauleistungen nach sich zieht. Beispielsweise werde im
Mietwohnungsbau mit einem Defizit von rund 50.000 Wohnungen pro
Jahr (Welt 28.01.97),
infolge geringerer Renditen, gerechnet. Aufgrund dieser Lage
werden im Jahr 1997 vermutlich 7.000 der rund 70.000
mittelständischen Baubetriebe zur Aufgabe gezwungen sein.
Weiterhin sind Veränderungen durch die gesunkenen
Abschreibungssätze zum Jahresanfang zu verzeichnen. So wurde bei
Wohnungsneubauten die Sonderabschreibung von 50% auf 25%
halbiert. Dagegen wurden die Abschreibungsmöglichkeiten für die
Sanierung und Modernisierung von Altbauten nur gering von 50% auf
40% (Handelsblatt 01.02.97) gesenkt. Dadurch wird die Sanierung der Altbauten mit
dem Ziel der Revitalisierung der Innenstädte begünstigt. So
kann die vom IW Halle ermittelte Abwärtsbewegung sowohl bei der
Geschäftslage wie auch bei den Geschäftsaussichten im
Baugewerbe (Wirtschaft im Wandel 1/1997) nicht überraschen. Beide Indikatoren erreichen ihren
geringsten Wert seit Beginn der Befragungen im Jahre 1993, was
auch nicht verwunderlich sein kann, da die Aufträge in
Ostdeutschland im Januar um 11,5% gesunken sind (Südd. Zeit. 9.4.97). Der
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie rechnet frühestens für
1998 mit einer Stabilisierung der Bauwirtschaft.
Angebotsseitige Faktoren
Die Bundesbank wurde von mehreren Seiten aufgefordert, mit einer
lockeren Geldpolitik das generelle Wirtschaftsklima zu
verbessern. Weitere Zinssenkungen dürften sich
grundsätzlich positiv auf die Stimmung in der Wirtschaft
auswirken, wenngleich unmittelbare Auswirkungen auf die
Investitionsbereitschaft und damit auf den Arbeitsmarkt hiervon
nicht erwartet werden. Ihr Vizepräsident W. Gaddum sieht derzeit
keinen Bedarf für eine Zinsänderung, kann aber eine weitere
Senkung der Zinsen grundsätzlich nicht ausschließen. Viele
Börsenhändler meinen, daß sich der Zinsabstieg fortsetzen wird
und begründen ihre Meinung mit den schlechten wirtschaftlichen
Fundamentaldaten. Sie sehen in absehbarer Zeit keine Gefahr für
den Rentenmarkt durch Zinserhöhungen. Außerdem hat die
Bundesbank wegen der katastrophalen Lage am deutschen
Arbeitsmarkt dafür kaum Spielraum und wird laut der Aussage
eines Mitgliedes des Zentralbankrates mit ihrem Kurs gerade
ausfahren, denn wegen der schwachen Konjunktur könnte sie eine
Erhöhung nicht rechtfertigen und eine Senkung würde den Druck
auf den Wechselkurs der Mark weiter verstärken und hätte aus
der Sicht vieler Volkswirte angesichts rekordtiefer
Kapitalmarktzinsen allenfalls symbolischen Charakter. Am
deutschen Kapitalmarkt wird sich das Niveau leicht erhöhen, was
aber eher eine Korrektur vorangegangener Übertreibungen bedeutet
und angesichts eines entspannten Preisklimas, vor allem aber
wegen guter Aussichten auf eine weiterhin mäßige
Inflationsentwicklung (vgl. Inflationsrate) keine grundlegende Zinswende, zumindest bis zum Sommer,
einläutet. Rückschlagspotentiale gehen in erster Linie von
einem möglichen Zinsanstieg in den USA aus, und es bleibt nur zu
hoffen, daß die dortigen Zinsen möglichst lange stabil bleiben.
Denn eine Erhöhung in den USA könnte unter Umständen dazu
führen, daß die Zinsen auch bei uns anziehen, was in der
heutigen Situation nicht erwünscht sein kann.
Die Angleichung der Löhne an das Westniveau wird immer mehr gegenüber der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Steigerung der Produktivität zurücktreten. Dahingehend werden auch die Tarifverträge korrigiert werden müssen, um eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit in den Neuen Bundesländern realisieren zu können. Dies umso mehr, da immer mehr Beschäftigte in den Neuen Bundesländern nicht mehr nach Tarif bezahlt werden. So kommt auch das Bundesarbeitsministerium zu dem Schluß, daß beim Vergleich der effektiven Verdienste die Einkünfte in Ostdeutschland unter dem Wert von 89% (Tarifeinkünfte) liegen, da in den Neuen Bundesländern für weniger Arbeitgeber Tarifbindung besteht als im Westen (Volksstimme 3.4.97).
Aktualisierter Prognosespiegel für 1997 (Neue Bundesländer):
BMWI (Rexroth): 2,5% Wachstum des realen BIP (Altmark-Zeitung v. 22.1.1997, S. 24)
DIHT: 1 bis 3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IW: 3,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996,S. 10)
Sachverständigenrat: 2¼ % Wachstum des realen BIP (Sachverständigenrat 1996/97)
1. HJ. 97: 3,5% und 2. HJ. 97: 1%
WSI: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
Die Forschungsinstitute:
Insgesamt: 2% reales Wirtschaftswachstum (Sozialpolitische Umschau vom 11.11.96)
DIW: etwa 1% Wirtschaftswachstum (Volksstimme v. 8. 1. 1997)
HWWA: 3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
Ifo: 2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IfW (Kiel): 3,2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IWH: 2,4 % Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 19.3.1996, S. 5) nach: Wachstum etwas höher als 2.5% (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
RWI: 2,75% Anstieg des realen BIP (Handelsblatt v. 20.12.1996, S. 5)
Die Banken:
Bundesverband der
Deutschen Volksbanken
und Raiffeisenbanken: um etwa 2% (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
Deutsche Bank: 2,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
DG-Bank: über 2,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
WestLB: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Galster, H.C. (Export)
Helmecke, K. (Investitionen); König, A.(Konsum); Schulze, M. (Staat);
Künnemann, D. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de