Konjunkturteam "Altmark"
Bericht II/97 vom 15.April 1997


Bericht zur Konjunkturlage:

Datenlage

Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebensh. aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspers. insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)
(Gesamtdeutschland)
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)
1992 13,5 % 14,5% 7,8 % -30,2 8,1 %
1993 10,5 % 15,1 % 8,9 % -23,4 6,4 %
1994 3,7 % 15,2 % 9,8 % -34,2 6,7 %
1995 2,1 % 14,0 % 5,3 % -33,8 6,5 %
1996 2,2 % 15,7 % 2,0 % -22,0 5,6 %
1.Quartal 96 2,6 % 16,1 % -1,0 % -1,4 5,6 %
2.Quartal 96 2,7 % 15,4 % 2,4 % -5,0 5,8 %
3.Quartal 96 2,1 % 15,0 % 3,6 % -12,6 5,7 %
4.Quartal 96 1,6 % 15,2 % 3,1 % -3,0 5,2 %
Januar 96 1,7 % 18,7 %     5,1 %
Februar 96 1,7 %1) 18,9 %     4,9 %
März 96   18,1 %2)      

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1) Statistisches Bundesamt 2) Handelsblatt v. 9.4.1997

Lageanalyse 1. Quartal 1997:

Nachfrageseitige Faktoren

Der private Konsum hat sich im Zeitraum der Jahreswende abermals schlecht entwickelt. Der saisonbereinigte Ifo-Index für den ostdeutschen Einzelhandel stieg zwar im Januar von -16,2 Punkten im Vormonat auf -7,9 Punkte (Handelsblatt v. 27.2.97), zum Teil mag dies noch auf Rückwirkungen des Weihnachtsgeschäfts zurückzuführen sein, sank dann aber im Februar wieder auf -24,8 Punkte. Wie der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) mitteilte, haben die befragten Unternehmen im Februar mit einem Umsatzminus von real 5% abgeschlossen. Für Januar und Februar zusammen ergibt sich eine reale Einbuße von knapp 2%. Dieses Ergebnis ist allerdings als Durchschnitt aller Branchen zu sehen. Die Fahrradbranche hat z.B. einen Zuwachs von 32% verbucht, der Sporthandel mußte dagegen ein Umsatzminus von 13% hinnehmen (FAZ 27.3.97). Der Winterschlußverkauf zeigte sich relativ moderat, allerdings gab es hier regionale Unterschiede zu beobachten. So sprach man in Leipzig von Mittelmäßigkeit, in Thüringen dagegen konnte man von großen Umsatzsprüngen berichten. Sachsen-Anhalts Händler erklärten, man liege im Bereich der entsprechenden Vorjahreswerte.

Kaufkraft (ausgewählte Kreise) 1997

Kreis DM pro Monat in % (Durchschnitt in Deutschland=100) Kreis in% (Durchschnitt in Deutschland=100) DM pro Monat
Magdeburg 2037,- 85 Kyffhäusekreis 71 1693
Wernigerode 1963,- 82 Güstrow 70 1669
Ohrekreis 1925,- 80 Uckermark 70 1669
Altmarkkreis 1834,- 76 Ücker-Roudow 68 1621
Bördekreis 1820,- 76 Demmin 67 1597
Stendal 1772,- 74      

(Zahlenmaterial: Gesellschaft für Konsumforschung GfK und eigene Berechnungen)

Die Kaufkraft der Bürger in den Neuen Bundesländern nahm weiterhin zu, allerdings liegt sie immer noch deutlich unter der der westdeutschen Bundesbürger. Ostdeutschland liegt erst bei 75% des Westniveaus (vgl. Wirtschaft im Wandel 1/1997). Auch hier gibt es regionale Unterschiede und Tendenzen. So erreicht Potsdam als reichster Kreis eine Kaufkraft von 95% (Welt 28.2.97), aber der Kreis Demmin nur 67% (siehe Tabelle). In DM umgerechnet besitzt ein Bürger der Neuen Länder ein durchschnittliches Einkommen von 1877 DM im Monat, in den alten Bundesländern verdient er dazu im Vergleich 2492 DM (Welt 28.2.97; Volksstimme 3.3.97).

Die Modernisierung der Produktionsanlagen in den Neuen Bundenländern ist weiterhin noch nicht beendet. Trotz eines leichten Anstiegs des BIP in Ostdeutschland ist ein weiterer Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen von 4% auf 3,5% zu verzeichnen. Die geringe Investitionstätigkeit (vgl. auch Wachstum) ist nicht auf die mangelnde Unterstützung des Staates zurückzuführen, sondern sie basiert einerseits auf der Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe, andererseits auf zu hohen Unternehmersteuern und Lohn- sowie Lohnnebenkosten. Daß der Investitionsmotor noch nicht angesprungen ist, liegt auch daran, weil die Kapazitätsauslastung weiter stagniert und die Auftragseingänge immer noch nicht stark genug wachsen.

Der Staat befindet sich in einer Zwickmühle. Er muß die Maastrich-Kriterien erfüllen und sollte trotzdem die derzeitige Konjunkturkrise durch zusätzliche öffentliche Investitionsausgaben - laut DIW-Studie (Volksstimme 17.2.97) - in Gesamtdeutschland von mindestens 20 Mrd. DM zum Aufbau von wettbewerbsfähigen Strukturen ausgleichen, denn eine Arbeitsplatzfinanzierung ist besser als eine dauernde Arbeitslosigkeitsfinanzierung. Der Osten braucht jedoch auch bei gleichbleibender Förderung noch mindestens 10 Jahre zur Angleichung auf ein Niveau. Die Transferleistungen betrugen 1996 von West nach Ost (incl. der Sozialversicherung) ca. 135 Mrd. DM. Zudem kann im Osten kaum mit Steuereinnahmen gerechnet werden, so haben z.B. 1996 die gleich großen Städte Hannover 1.310 Mio. DM und Leipzig nur 377 Mio. DM Steuereinnahmen. Dies zeigt, daß eine Reduzierung der Förderung Ost aufgrund der fehlenden Wachstumsdynamik den Osten zum Notstandsgebiet machen würde (Welt 22.2.97). Als Schlußlicht fällt Sachsen-Anhalt mit einem Null-Wachstum auf (Welt 22.2.97), welches aus dem Zusammenbruch der Großindustrie, aber auch aus den hohen Schulden, dem übermäßig großen Verwaltungsapparat sowie den daraus resultierenden geringen Investitionen stammt.

Die Exportaktivitäten bei den Unternehmen in Sachsen-Anhalt im Bergbau und in den verarbeitenden Gewerbe weisen gegenüber dem 3. Quartal stabile Ergebnisse aus. Dies zeigt sich insbesondere bei den mittleren Unternehmen (50 bis 500 Beschäftigten). Diese Unternehmen konnten Fortschritte bei der Erschließung von Außenmärkten erzielen. Trotz dieser Fortschritte ist das Gesamtbild negativ, denn die meisten Großbetriebe weisen leider einen, wenn auch geringen, Negativsaldo aus. (Konjunkturumfrage IHK Halle Dessau) Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge, erwirtschafteten die Industriebetriebe der Neuen Bundesländer 1996 nur 27.400 DM je Beschäftigten im Ausland, in den Alten Bundesländern sind es demgegenüber 101.000 DM (FAZ 4.4.97). "Alles andere als erfreulich" sei die Einschätzung von 71 Handelskammern und Büros der deutschen Wirtschaft bezüglich der Marktpräsens ostdeutscher Unternehmen.

Die Bauwirtschaft Die deutsche Bauindustrie erwartet für 1997 eine Fortsetzung der Stagnation. Drei von fünf ostdeutschen Unternehmen des Baugewerbes betrachten ihre Zukunft pessimistisch, da zur Minderung der Nachfrage im öffentlichen und gewerblichen Bau sich zusätzlich auch der Mietwohnungsbau rückläufig zeigt. Diesem Abwärtstrend wirken lediglich Maßnahmen im Wohnungsbestand und im Eigenheimbau entgegen. Durch diesen drastischen Einbruch im Baugewerbe verzeichnete die ostdeutsche Industrie im Januar 1997 tiefrote Zahlen, minus 13,4% (Volksstimme 06.03.97). Das Bauhauptgewerbe produzierte 35,7% weniger als im Dezember 1996. Auch das Statistische Bundesamt bestätigte, daß sich die deutsche Bauwirtschaft in einer tiefen Rezession befindet. Danach seien Beschäftigung, geleistete Arbeitsstunden, Umsatz und Auftragseingänge im vergangenen Jahr stark gesunken.

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Angebotsseitige Faktoren Anfang des Jahres befanden sich die Kapitalmarktzinsen weltweit auf dem Rückzug. Am deutschen Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen auf ein neues historisches Tief von 4,99 % und Mitte Februar sogar auf 4,76 %. Danach hielt sie sich auf Werten zwischen 4,80 - 5,50%. Auch die kurzfristigen Zinsen (siehe Fibor) haben die Tiefstwerte von 1962 und z.B. 1978 erreicht und unterschritten. Bei den Hypothekenzinsen ist nach Einschätzung des VDH "die Talsohle erreicht". Ein weiterer Rückgang sei bis zur Jahresmitte nicht zu erwarten, obwohl auch Stimmen laut werden, die einen Zinsanstieg, aber erst ab Sommer, voraussagen. Die DG HYP hat Ende Januar mit einem Effektivzins für Darlehen mit 10jähriger Festschreibung von 6,68% den tiefsten Stand seit 1970 erreicht. Andere Institute waren mit ihren Konditionen Mitte Februar auf dem bisherigen Tiefstniveau von Anfang 1978 angelangt (5jährig 5,45 - 5,79%, 10jährig 6,59 - 6,90%). Ende des Quartals hob nun dagegen die DePfa als Branchenführer erstmals die Zinsen (5jährig von 5,58 auf 5,84% und 10jährig von 6,64 auf 6,85% ) wieder an, wollte damit aber keine Signale für einen Zinsanstieg setzen. Diskont- und Lombardsatz blieben unverändert auf 2,50 und 4,50 % und der Satz für Wertpapierpensionsgeschäfte bei 3,00%.

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Die Durchschnittsbruttolöhne stiegen im Vergleich zum letzten Quartal des Vorjahres von 3.133,- DM auf 3.312,-DM, was einer Steigerung von 5,7% entspricht. Die Produktivität liegt weiterhin bei ca. 70 % im Vergleich zu den alten Bundesländern (Monatsberichte des Bundesministeriums für Wirtschaft Sachsen-Anhalt). Die Lohnkosten je Produkteinheit betragen in den Neuen Bundesländern 103,5 DM pro 100 DM (alte Bundesländer 65,3 DM pro 100 DM / Saisonb. Wirtschaftszahlen Dt. Bundesbank März 1997). Ein Anstieg der Lohnnebenkosten 1996 von 69,9 auf 71,2 % im Osten (Volksstimme 19.3.97) weist ebenfalls einen negativen Trend auch für den weiteren Aufbau der Wirtschaft auf. Speziell diese Zahlen veranschaulichen schonungslos eines der Hauptprobleme der ostdeutschen Wirtschaft. Die Arbeitgeber selbst sähen Möglichkeiten zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze vor allem durch das Senken der Lohn- u. Lohnnebenkosten. Gegenüber neuen und flexiblen Arbeitszeitmodellen sei in den Firmen ein relativ hoher Ablehnungsgrad zu erkennen. Speziell im Baugewerbe ist ein relativ hoher Prozentsatz von Lohndumping zu verzeichnen, wobei speziell in den Neuen Bundesländern die Mindestlöhne, trotz gesetzlicher Vorschriften, bei weitem unterboten werden. Dies ist insbesondere auf den harten Wettbewerb zurückzuführen, wo jeder Unternehmer versucht, die Gegenseite durch extrem niedrige Angebote auszubooten. Erwähnenswert ist weiterhin die Aussage des Wirtschaftsministers von Sachsen-Anhalt, Herrn Schucht,: "Nicht Ostlöhne an Westlöhne angleichen, sondern umgekehrt". Diese Aussage stellt die vielzitierte Lohnaufholungsstrategie, die bereits seit Jahren praktiziert wird, in Frage (Volksstimme v. 17.03.97). Als wichtigste Defizite der Wirtschaft in den Neuen Bundesländern, insbesondere in Sachsen-Anhalt, existieren weiterhin die Exportschwäche und die Produktivitätsrückstände. In diesem Hinblick sollte das Lohnangleichungsziel zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit noch einmal grundlegend überdacht werden.


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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Galster, H.C. (Export)
Helmecke, K. (Investitionen); König, A.(Konsum); Schulze, M. (Staat)
Künnemann, D. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
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