Konjunkturteam "Altmark"
Bericht I/99 vom 15.Januar 1999


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Prognose:

Konjunkturindex des Konjunkturteams "Altmark": (Prognose 1. Quartal 1999)

Nur Seitwärtsbewegung im Produzierenden Gewerbe

Tatsächliche und prognostizierte Werte des Indexes der Nettoproduktion in den neuen Bundesländern




Nachfrageseitige Faktoren
Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Konsum die weitere konjunkturelle Entwicklung stützen wird. Als Begründung wird ein moderater Preisanstieg angegeben, der zwischen 1 und 2% liegen soll. Weiterhin wird auch ein leichter Anstieg der Beschäftigtenzahlen von 0,5% dazu beitragen(Handelsblatt, 7.1.99). Die Ostdeutschen Einzelhändler haben nicht viel übrig für viel Optimismus. 46% erwarten von der Steuerreform der neuen Bundesregierung keine nachhaltigen Impulse für ihre Umsätze, 34% gehen sogar von Umsatzrückgängen aus. (Handelsblatt, 4.1.99) Wenn die Löhne in der nächsten Zeit weiterhin so moderat steigen werden und sich die Einschätzung der konjunkturellen Lage seitens der Konsumenten nicht weiter aufhellt, kann es keine großen Sprünge bei den Einzelhandelsumsätzen geben. Weiterhin wird hoffentlich die Erhöhung des Kindergeldes nicht durch Preiserhöhungen infolge der Einführung der Ökosteuer ausgeglichen.

Positiv zu sehen ist, daß die Investitionsvorrang- Regelungen für die Neuen Bundesländer bis zum Jahr 2000 verlängert worden sind (Volksstimme/17.10.98). Somit steht internationalen Investitionen, wie sie beispielsweise im mitteldeutschen Chemiedreieck (Handelsblatt 27.10.98) getätigt worden sind, weiterhin nichts im Wege. Hemmend wirkt dagegen die immer noch unklare steuerliche Situation. "Bei einer Klärung dieser würden wieder vermehrt Investitionsbeschlüsse gefaßt" (IfW/Handelsblatt/16.12.98). Die niedrigen Zinsen, die gute Kapazitätsauslastung und gute Absatz- und Ertragsaussichten würden dann eine Zunahme der gewerblichen Investitionen bewirken (Pressemitteilung HWWA 20/98). Auch im Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1998/99 wird eine Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen von insgesamt 5,5 % prognostiziert. Im Vergleich dazu 1998 betrug der Zuwachs ca. 8%. Unterstrichen wird dies durch die Prognosen der Wirtschaftsinstitute, die von einem wirtschaftlichem Wachstums am Anfang des Jahres 1999 unter 2% ausgehen, z.B. IFO 1,7% (Süddeutsche Zeitung 18.12.98).

Eine Prognose des Staatssektors wird durch die noch unklaren Aussagen der neuen Regierung bezüglich ihrer Ziele in der Steuerreform relativ schwierig. So existieren noch starke Verunsicherungen bezüglich der Einkommens-, der Mineralöl-, und der Energiesteuer. Die Eckdaten des Haushaltsentwurfes 1999 weichen nur unwesentlich von denen der alten Regierung ab (Handelsblatt, 11.01.99). So sind Ausgaben in Höhe von 465 Mrd. DM und eine Nettokreditaufnahme von 56,2 Mrd. DM vorgesehen. Außerdem sind Einnahmen aus weiteren Privatisierungen geplant. Dadurch, daß ein nach dem Regierungswechsel erwartetes Programm zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit ausgeblieben ist und die ABM-Stellen unverändert bleiben, wird es auch aufgrund des nur schwachen Konjunkturaufschwungs nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitslosigkeit kommen, die besonders die neuen Bundesländer betrifft. Das zweite Ziel der Koalition, eine ökologische Steuerreform, die bisher immer unter Zahlungsvorbehalt stand, wird es auf Grund der hohen Kosten nur in abgespeckter Form geben. Der schnelle Ausstieg aus der Kernenergie wird zum allgemeinen Ausstiegsziel erklärt, eine Benzinsteuererhöhung um 6 Pfennige (plus Mwst) zum 1.April 1999 vorgegeben sowie eine Diskussion um die Einführung einer Stromsteuer geführt. Durch die zusätzliche Stromsteuer wird der Standortnachteil der ostdeutschen Betriebe diesbezüglich noch erhöht. Außerdem wird die Senkung der Lohnnebenkosten auf 39,9% vorgeschlagen. Die dafür nötigen 12 Mrd. DM sollen aus den geplanten Einnahmen der Ökosteuer (8,5 Mrd. DM) sowie einer Senkung des Bundeszuschußes an die Rentenversicherungsanstalt zustandekommen. Bisher sind also nur Umschichtungen im Haushalt vorhanden. Durch die von der neuen Koalition geführten keynesianischen Diskussion muß davon ausgegangen werden, daß sich die Ausgaben des Bundes u.a. durch höhere Lohnzuwächse (Forderungen des Beamtenbundes 5%) drastisch erhöhen wird und damit die Maastricht - Kriterien gefährdet werden. Zudem wird versucht die EU-Zahlungen Deutschlands, die trotz der Zonen-1-Förderung der neuen Bundesländer die Rückflüsse um ca. 3,7 Mrd. Euro überschreiten, zu reduzieren.

Aufgrund der immer noch nicht bewältigten Krisen in Südost-Asien, Rußland und nun auch in Lateinamerika ist mit einer weiteren Abschwächung des Exportwachstums zu rechnen. Im ersten Quartal 1999 dürfte sich die Verlangsamung des Wachstums fortsetzen, da zum einem durch den US Dollar noch zum anderen durch den fortschreitenden Preisverfall auf den Märkten, keine Unterstützung zu erwarten ist. Das heißt, daß sich selbst die Bereiche der Automobilindustrie, aber auch die des Maschinenbaus, der Chemischen Industrie und des Nahrungsmittelgewerbes auf schwere Zeiten einstellen müssen. Nur die kunststoffverarbeitende Industrie wird es weiterhin leicht haben, ihre Umsatz- und Wachstumsziele zu erreichen. Dies begründet sich in den immer größer werdenden Einsatzgebieten von Kunststoffen wie zum Beispiel in der Automobilindustrie (weitere Gewichtsein-sparungen), der Elektroindustrie sowie in der Medizintechnik.

Die Bauwirtschaft
Die Prognosen für 1999 versprechen nichts gutes. Das Münchner Ifo-Institut rechnet mit realen Bauinvestitionen von -4% und erst um die Jahrtausendwende mit einer Erholung (Handelsblatt 14.10.98). Der ZDB erwartet für 1999 einen Stellenabbau von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen sowie eine weitere Abschwächung der Baukonjunktur, falls die Regierung die Schlechtwettergeld-Reform durchsetzt. Die Bauinvestitionen, so der ZDB, werden um 3,5% sinken und ein Ende der Talsohle wird erst in 2 Jahren erreicht (Handelsblatt 30.10.98). Der DIW dagegen spricht von einem Anstieg des Bauvolumens um 0,3% für 1999, da die Talsohle bereits durchschritten sei (Süddeutsche Zeitung 27.10.98). Abgesehen davon wird wohl das Jahr 1999 eher weitere Verschlechterungen als Verbesserungen bringen.

Angebotsseitige Faktoren
Der Lohnanstieg wird sich 1999 sehr gering ändern, da es vorgesehen ist, eine stärkere Beschäftigungspolitik zu betreiben. Dies geht allerdings nur, wenn wir bei einem moderaten Lohnanstieg bleiben, da bei einem stärkeren Lohnanstieg die Beschäftigungsrate eher sinken würde als steigen (Handelsblatt 07.01.1999). Eine Prognose der Lohnentwicklung dürfte für dieses Jahr allerdings recht schwer fallen, da die Gewerkschaften mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen in die Lohnverhandlungen gehen. So fordert die IG Metall Lohnerhöhungen von über 6 %, dagegen geht die IG BAU ohne konkrete Lohnforderungen in die Tarifverhandlungen. Wir gehen davon aus, daß sich auch 1999 die Lohnstückkostendifferenz gegenüber Westdeutschland weiter verringern wird. So lagen nach Angaben der Bundesbank im Oktober die Lohnstückkosten in Westdeutschland um 0,6% unter dem Vorjahresniveau, während sie in Ostdeutschland das Vorjahresniveau um 4,5 % unterschritten. Desweiteren sollte nicht vergessen werden, daß immer mehr Unternehmen in Ostdeutschland dazu übergehen keinen Tarif mehr zu zahlen. Über die Größenordnung und Häufigkeit von stattfindenden Lohnsenkungen läßt sich angesichts mangelnder Daten keine Aussage machen.

Bei den Zinsen erwarten viele Marktteilnehmer und Analysten weitere Senkungen. Begründet wird dies mit einer Abschwächung der Konjunktur in den USA und Euroland. Wobei die Vorindikatoren für die USA im Moment nicht allzu schlecht sind. Die Finanzkrise in Brasilien wird noch lange Schatten auf die USA werfen und somit unsere Exportaussichten verschlechtern. Immerhin stellt Brasilien die achtgrösste Volkswirtschaft der Welt dar und 20% der amerikanischen Exporte gehen in diese Region. Dabei ist die Finanzkrise nicht das eigentliche Problem, sondern wohl eher möglicher aufkommender Pessimismus der Investoren weltweit, was sich letztendlich auf unsere Konjunktur auswirken wird. Wobei unsere Bundesregierung sowieso mißtrauisch von Investoren beäugt wird. Diesem Dominoeffekt zu begegnen mit einer Zinssenkung, könnte eine gegenteilige Wirkung erzielen. Angesichts dieser Fakten und Szenarien, ist mit einer großen Wahrscheinlichkeit mit einer Zinssenkung im 1. Quartal zu rechnen.




Aktualisierter Prognosespiegel für 1999 (Neue Bundesländer):

Bundesregierung: 2% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 07.011999
IG Metall: 2,7% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.98)
Sachverständigenrat: 2,0% reales Wachstum (Handelsblatt 24.12.1998)

Die Forschungsinstitute:

Insgesamt: 2,3% Wachstum des realen BIP (Herbstgutachten der Forschschungsinstitute 16.10.1998) nach:
2,5% reales Wirtschaftswachstum
(Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute 12.,5.1998)
DIW: 0,8% Witschaftswachstum (Süddeutsche Zeitung 07.01.1999) nach:
2,2% Wirtschaftswachstum
(DIW Wochenbericht 27/98)
HWWA: 2,4% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.1998) nach:
2,7% Wirtschaftswachstum
(HWWA-Info 15/98)
Ifo: 1,5% Wirtschaftswachstum (Süddeutsche Zeitung 18.12.1998) nach:
2,5% Wirtschaftswachstum
(Wirtschaftkonjunktur 7/98)
IfW (Kiel): 2,7% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.1998)nach:
2,5% Wachstum des realen BIP
(Handelsblatt v. 21.09.1998)
IWH: 2,3 % Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.98) nach:
2,6% Wachstum des realen BIP
(Wirtschaft im Wandel 9-10/98)
RWI:2,5% Wirtschaftswachstum (Handelsblatt 24.12.1998)nach:
3,5% Wachstum des BIP
(Handelsblatt v.26.02.98)
IW (Köln):2% Wirtschaftswachstum (iwd Nr.1, 07.01.1999)

Die Banken:

Commerzbank: 2,8% Wachstum des realen BIPnach:
2,8% Wachstum des realen BIP
(Konjunkturtrend Februar 1998)
DB-Research:2,5% Wachstum für 1999 (Handelsblatt v.4.6.1998, S.6)
WestLB: 3% Wachstum des realen BIP (1.12.97 http://www.westlb.de)




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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Brattan, M. (Zins); Fehse, N. (Löhne); Brückmann, B.(Inflation); Jacob, R. u. Bredl, G.(Export)
Klingner, D.(Investitionen); Schleef, A. u. König, A.(Konsum); Schulze, M. u. Nothnagel, J.(Staat)
Wruck, M. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Gläser, T. (Bauwirtschaft)


Redaktion:

Dipl. Volkswirt Nothnagel, J.

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
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