Konjunkturteam "Altmark"
Bericht IV/98 vom 17.Oktober 1998


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Lageanalyse 3. Quartal 1998:

Datenlage
 
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)
(Gesamtdeutschland))
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)

1992
13,5 %
14,5%
7,8 %
19,8
8,1 %
1993
10,5 %
15,1 %
8,9 %
13,2
6,4 %
1994
3,7 %
15,2 %
9,8 %
-32,9
6,7 %
1995
2,1 %
14,0 %
5,3 %
-32,4
6,5 %
1996
2,2 %
15,7 %
1,9 %
11,0
5,6 %
1997
2,1 %
18,1 %
1,6 %
2,7
5,1 %
3. Quartal 1997
2,4 %
18,2 %
1,4 %
-6,7
5,0 %
4. Quartal 1997
2,3 %
18,6 %
1,2 %
5,7
5,2 %
1. Quartal 1998
1,5 %
21,0 %
4,1 %
-7,2
4,7 %
2. Quartal 1998
1,6 %
18,2 %
0,0 %
+6,9
4,8 %
3. Quartal 1998
0,9 %1)
16,9 %2)
     
Juli 1998
1,0 %
17,4 %
   
4,6 %
August 1998
0,9 %
17,1 %
   
4,4 %
September 1998
0,8 %1)
16,3 %2)
     
Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1)Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v. 7.10.98 2) Bundesanstalt für Arbeit; Pressemitteilung 54/98 v. 6.10.98

 

 

Nachfrageseitige Faktoren
Der Konsum stagniert. Der Einzelhandel bleibt ein Sorgenkind. Bei den Händlern hat die Unzufriedenheit zuge- nommen. Die Indikatoren spiegeln das wieder. Das ifo-Geschäftsklima Einzelhandel Ost lag bei – 22,8. Nach dem Aufwärtstrend der letzten Monate, im April –16,3, ist der Einzelhandel wieder im Tief. (Handelsblatt, 28.07.98) Der BBE – Index Ost sank im Juli auf 77,88, erreichte im August mit 88 wieder das Niveau vom Juni, um im September auf 89,23 anzusteigen. Er liegt allerdings weiterhin deutlich unter der Gleichgewichtslinie von 100, bei der positive und negative Erwartungen der Einzelhändler sich ausgleichen. Der abfallende Trend war jedoch nur im Osten zu beobachten. In Westdeutschland stieg der BBE – Index auf 106,10. (Handelsblatt, 14.10.98) Positiv für den Konsum war der Sommerschlußverkauf. Der Einzelhandel konnte sich über bis zu 6% mehr Umsatz freuen. (Volksstimme, 10.08.98) Gegen Ende des Quartals wurden auch die Zahlen besser. So konnte das icon-Konsumbarometer zum zweiten Mal in diesem Jahr die Marke von 100 Punkten brechen und lag bei 101 Punkten. (Handelsblatt, 25.08.98)

Insgesamt ist ein Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen in den Neuen Bundesländern durch eine Nachfrage- belebung im Verarbeitenden Gewerbe einerseits, aber auch wegen der momentan niedrigen Zinsen andererseits zu erwarten. Auch der Export, der im 1. Halbjahr ziemlich boomte und somit die gesamtdeutsche Warenausfuhr um 9,7% erhöhte, sorgte für eine Wachstumsdynamik. Schwierigkeiten ergaben sich dann aber im 2. Halbjahr durch die Asienkrise und Problemen in Rußland. Auswirkungen hierfür waren, daß die Investitionsnachfrage in den asiatischen Ländern weitestgehend zusammenbrach und in Japan ein Rücklauf zu verzeichnen war. Insgesamt geht man dabei von Auftragsrückgängen in Höhe von 30-40% in diesen Ländern aus (Handelsblatt, 01.10.1998). Ein leichter Produktionsanstieg im Inland gleicht den "Dämpfer" vom Ausland insgesamt wieder aus, da einige spät angelaufene Großinvestitionen ausländischer Konzerne den noch hohen Gesamtumfang der Investitionen stützen. Man geht davon aus, daß ostdeutsche Unternehmen mit über 25.000 DM pro Beschäftigten noch 2/3 mehr für Investitionen ausgeben als westdeutsche Unternehmen.

Wie das statistische Bundesamt mitteilte, beliefen sich die Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushaltes des Staates (Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen) im 1.Quartal 1998 auf 462,2 Mrd. DM (+ 1,6% Vorjahresquartal), die Einnahmen betrugen 403,3 Mrd. DM (5,2). Damit errechnet sich ein Finanzdefizit in Höhe von 58,3 Mrd. DM; 1,6 Mrd. DM weniger als im Vorjahr. Der Schuldenstand aller öffentlichen Haushalte belief sich im 1. Quartal auf 2181,8 Mrd. DM (+ 4,5 %) (Statistisches Bundesamt, 16.07.98). Trotz Senkung des Solida- ritätszuschlages und der Erhöhung des Grundfreibetrages wurden im 1. Quartal mehr Steuern als im Vorjahres- quartal eingenommen. Mit 182,2 Mrd. DM lagen die Einnahmen aus Steuern um 0,3 % über denen des Vorjahresquartals. Im ersten Halbjahr betrug die Nettokreditaufnahme des Bundes 40,5 Mrd. DM und lag damit niedriger als im Vorjahr mit 47,5 Mrd. DM. (Handelsblatt, 17.07.98) Die Bundesbank meldet einen Rückgang der Defizite des Bundes. Dieser fiel mit 54 Mrd. DM deutlich geringer aus als im gleichen Vorjahreszeitraum (60 Mrd. DM) (Handelsblatt, 19.08.98) Das Innovations-Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministerium für kleinere und mittlere Ost–Firmen wird bis 2004 fortgeführt. Für das 1999 steht ein dreistelliger Millionenbetrag bereit. (Volksstimme, 28.08.98) Andererseits zahlt das Landesförderungsinstitut keine Existenzgründerzuschüsse mehr aus, da die Mittel in Höhe von 8. Mill. DM ausgeschöpft sind. (Volksstimme, 23.09.98)

Auch der ostdeutsche Exportmotor lief im 3.Quartal auf Hochtouren. Dennoch war der Anteil der Auslandsum- sätze der ostdeutschen Exportindustrie am Gesamtumsatz mit 15% immer noch verhältnismäßig niedrig gegen- über den Altbundesländern mit 33% (Volksstimme, 17.08.98). Auch ging die Krise in Rußland nicht spurlos an der ostdeutschen Exportindustrie vorbei. Die Bedeutung ging verständlicherweise leicht zur Mitte des dritten Quartals zurück. Das Wachstumsplus der Umsätze von 30% in der ostdeutschen Exportindustrie wurde von allen Branchen, bis auf das der Verbrauchsgüterindustrie, getragen. Besonders hervorzuheben ist die positive Entwicklung der Bereiche wie Automobilzulieferindustrie (z.B. Sachsenring AG, Adam Opel AG in Eisenach), der Medizintechnik (Jenoptik AG), der EDV Geräteherstellung (Siemens bzw. AMD in Dresden) und des holzverarbeitenen Gewerbes (Volksstimme, 17.8.98). Jedoch schwächte sich, trotz dieser positiven Entwicklung, die Dynamik im 3. Quartal gegenüber dem Vorjahr weiter ab (Handelsblatt, 24.09.98). Gründe dafür können zum einem im schwächeren Dollar aber auch in den schon oben erwähnten Turbulenzen in Rußland und Asien gesehen werden.

Die Bauwirtschaft
Auch im III. Quartal diesen Jahres hat sich die erhoffte Trendwende am Bau nicht eingestellt. Weitere Auftrags– und Umsatzrückgänge vor allem im Bereich von Wohnungs- und Wirtschaftsbau (14% niedriger gegenüber 1997) kennzeichnen die unverändert schlechte Lage am ostdeutschen Bau. Die Geräteauslastung liegt derzeit mit 67% deutlich unter dem Vorjahresniveau. (Handelsblatt, 29.07.98) Demzufolge reduzierten auch die meisten Be- triebe ihre Investitionspläne drastisch um teilweise 10%. (Handelsblatt, 31.08.98) Wie die Graphik zeigt, scheint sich die Lage aber im Augenblick nicht mehr zusätzlich zu verschlechtern. Eine Stütze erfolgt fast ausschließlich durch öffentliche Baunachfragen, insbesondere dem Straßenbau. Aufgrund dieser anhaltenden Krise forderte die “Aktionsgemeinschaft Bau” umfangreiche Steuer- und Sozialreformen. Dazu gehören u.a. die Senkung der Arbeitskosten und mehr Flexibilität innerhalb des Arbeitsrechts. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverban- des des Deutschen Baugewerbes K. Robl machte hauptsächlich die zu hohen Lohnkosten für die Krise verant- wortlich (Handelsblatt,. 19.08.98). Trotz des Abbaus ist die Bautätigkeit im Osten auf einem relativ hohen Niveau, da der Bedarf bei der Moderni- sierung von Wohnungen und der öffentlichen Infrastruktur sehr hoch sind (Volksstimme, 04.09.98).

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Angebotsseitige Faktoren
Ein Lohnanstieg ist für Alte und Neue Bundesländer im Produzierenden Gewerbe festzustellen. Hier ist im Ver- gleich der Bruttoverdienst zwischen Januar 1997 zu Januar 1998 um 2,3 % (auf 5023 DM) gestiegen und somit 1997 erstmals über die Schwelle von 5000 DM getreten. Das Monatseinkommen der ostdeutschen Beschäftigten wuchs 1997 um 3,1% und somit auf 3774 DM (im Vorjahr 5,1%). Im Handel-, Kredit- und Versicherungsgewerbe stieg das Einkommen in den alten und neuen Ländern um 2,4% (Volksstimme, 18.08.98). Die Pläne der Bundesregierung (hier CDU/ CSU) zur Subventionierung niedrig bezahlter Beschäftigungen sind noch umstritten. Der SPD - Wirtschaftspolitiker Uwe Jens warnte davor, den Kombilohn als "Allheilmittel" zu betrachten. Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Horst Siebert kritisiert diese Pläne stark, da dies nur zu einer weiteren Abwendung vom Markt führe und ein Verdrängungswettbewerb nach oben folgen würde (Ersetzung durch billige Arbeitskräfte) (Handelsblatt, 28.07.98). Ebenso ist eine Angleichung der Ostlöhne an die Westlöhne am Ende des vergangenen Jahres mit 89,5% zu verzeichnen.
 
Bruttolohn- und -gehaltssumme je Beschäftigten in den Neuen Bundesländern (West = 100) (Handelsblatt, 17.08.98)
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 96,1
Staat 86,0
sonst. Dienstleistungen 84,4
Baugewerbe 82,6
alle Wirtschaftsbereiche 77,2
Handel 76,8
Energie, Wasser, Bergbau 76,1
Verkehr, Nachrichten 76,1
Banken, Versicherungen 73,5
Verarbeitendes Gewerbe 72,4

Viele Betriebe in den neuen Bundesländern sind nicht tariflich gebunden und entlohnen daher zum Teil deutlich unter dem Tarif. Demnach vergrößert sich die Lücke wieder, sobald die effektiv gezahlten Löhne und Gehälter als Vergleichsgrundlage dienen (Effektiventgelte: 77,2% zum Westniveau). Bei Betrachtung des Bruttoentgeltes pro Beschäftigungsstunde Ost beträgt dieses sogar nur 72,7% vom Westniveau. Allerdings zahlen die Beschäf- tigten in den neuen Bundesländern weniger Abgaben im Vergleich zu den Beschäftigen in den alten Bundeslän- dern. Während die Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer in Gesamtdeutschland von 1991 bis 1998 um 31,4% ge- stiegen sind, war allerdings ein größerer Anstieg bei der Produktivität und Preisen mit 39,2 Prozent zu verzeich- nen (Süddeutsche Zeitung, 08.10.98). Die Lohnkosten je 100 DM Umsatz in verarbeitenden Gewerbe lagen im August mit 17,77 DM fast 2 DM unter denen des westdeutschen verarbeitenden Gewerbes (Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen).

Bei den Zinsen beließ die Bundesbank alles beim alten, trotz heftigster Diskussionen und einer Senkung der kurzfristigen Zinsen in den USA durch die amerikanische Notenbank. Die Diskussionen um die Zinsen wurden zuletzt angeheizt durch den SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Er betonte mehrfach, das die Bundesbank ih- ren Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leisten müsse. Bundesbank-Chef Tietmeyer schloß Zinssenkun- gen in Deutschland aus, nicht nur wegen der Konvergenz der europäischen Zinsen vor dem Eintritt in die Euro- päischen Währungsunion (Handelsblatt; 08.10.98). Weiterhin versicherte er auf dem G7-Gipfel, daß die Bundesbank wachsam auf die Krisenherde schaue und mit ruhiger Hand agieren werde. Die Umlaufrendite sank, begünstigt durch die Abflüsse vom Aktienmarkt in den als sicherer geltenden Rentenmarkt. Eine dann plötzlich massiv ein- brechender Rentenmarkt, ließ die Umlaufrendite aber wieder nach oben schnellen. Gerüchten zufolge, sollen internationale Fonds Geld benötigt haben, was auch bei den Devisen zu einigen Turbulenzen führte. Mittlerweile sinkt die Umlaufrendite wieder.

 

 

 

 
 
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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Brattan, M. (Zins); Fehse, N. (Löhne); Brückmann, B.(Inflation); Jacob, R. u. Bredl, G.(Export)
Helmecke, K.(Investitionen); Schernikau, K.(Konsum); Schulze, M. u. Vorpahl, D.(Staat)
Wruck, M. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Gläser,T. u. Gläser, T. (Bauwirtschaft)
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
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