Konjunkturteam
"Altmark"
Bericht I/98 vom 19.Januar 1998
Bericht zur Konjunkturlage in den neuen
Bundesländern:
Prognose:
Konjunkturindex des Konjunkturteams
"Altmark": (Prognose für
Dezember 1997 - April 1998)
Anhaltende Wachstumsschwäche im Osten
Tatsächliche und
prognostizierte Werte des Indexes der Nettoproduktion in den
neuen Bundesländern
Aktualisierter
Prognosespiegel
Nachfrageseitige
Faktoren
Große Umsatzsprünge wird es
in den nächsten Monaten nicht geben, da sind sich wohl alle
Einzelhändler einig. Die Kunden werden ihren Konsum weiterhin
einschränken, da reale Verdienstzuwächse kaum in Sicht sind (vgl. Löhne). Zwar wurde der Solidaritätszuschlag um 2 % Punkte
gesenkt, aber gleichzeitig wird es eine erhöhte Mehrwertsteuer (vgl. Staat) geben. Dadurch werden gerade die mittleren
Einkommensbereiche belastet, die einen großen Anteil am Konsum
haben. Der Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte
wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zusätzlich um
0,5% steigen (Statistisches
Bundesamt, Pressemitteilung 11.12.97). Längere Ladenöffnungszeiten werden auch im Jahre
1998 keine Umsatzzuwächse bringen. Vielerorts kam es im letzten
Jahr nur zu Verlagerungen der Kaufgewohnheiten, andererorts
stellte man keine Auswirkungen fest und nahm die verlängerten
Öffnungszeiten bereits wieder zurück. Welche Entwicklung es
hier noch geben wird, ist schwer vorauszusehen. Die großen
Einzelhandelsunternehmen werden aber wohl kaum wieder davon
Abstand nehmen. Ihnen geht es jetzt darum, Marktanteile zu
verteidigen. Die Devise bis zum Jahr 2000 wird für den
ostdeutschen Einzelhandel heißen, "Überleben ist
alles". Eine positiven Entwicklung, auch im Konsumbereich,
wird es erst mit der Senkung der Arbeitslosenzahlen geben. Weil
damit 1998 nicht zu rechnen ist, wird es wohl ein Jahr der
Pessimisten und des Verdrängungswettbewerbes.
Ein deutlicher Aufschwung in Deutschland wird in den nächsten 2 Jahren erwartet. Eine Schlüsselrolle hierbei sollen die Investitionen spielen, nach einem Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen 1997 um 4,5%, rechnet man im kommenden Jahr mit einem kräftigem Anziehen auf 6,5% (DIW Wochenbericht 04.11.1997). In der Industrie erwarten die Hersteller von Verbrauchsgütern steigende Produktionszahlen und einem höheren Export, die Produzenten von Investitionsgütern sind ähnlich optimistisch. Als Folge daraus planen fast 60% der Betriebe ihren Investitionsetat 1998 auszuweiten.
Durch den Staat wurde zum 1.1.1998 der Solidaritätszuschlag von 7,5 auf 5,5% gesenkt. Dies bedeutet eine Entlastung der Bürger um 7,1 Mrd. DM bei Körperschafts-, Einkommens- und Lohnsteuer, die aber andererseits durch die desolate Finanzlage des Staates sowie der gescheiterten und wohl erst nach den Wahlen 1998 kommenden Steuerreform noch nicht an ihn weitergegeben werden kann. Der im letzten Moment noch geschlossene Kompromiß zur Verhinderung des Anstieges des Rentensteuerbeitrages auf 21% wird durch den Anstieg der Mehrwertsteuer von 15 auf 16% zum 1.4.1998 finanziert. Damit erhöht sich der 20% Zuschuß des Bundes an die Rentenanstalt, der dieser zusätzliche Kosten der deutschen Einheit übertrug und somit an der derzeitigen Lage mitverantwortlich ist. Um eine Steigerung der Beiträge der Sozialkassen zu verhindern, werden zudem die Bemessungsgrundlagen in der Renten-und Arbeitslosenversicherung auf 8.400 DM (+200 DM) sowie in der Krankenversicherung auf 6.300 DM (+150 DM) angehoben. Das Mietrecht wird zum 1.1.1998 dem der Alten Bundesländer angeglichen und das System der Vergleichsmiete eingeführt. Dies dürfte jedoch nicht zwangsläufig zu Mietsteigerungen (vgl. Inflation) führen.
Während sich im Westen die Export-Aussichten aufgrund der Wirtschaftskrise in den asiatischen Ländern eintrüben, ist der Erwartungsindex im Osten relativ konstant. Es wird zwar mit einer geringfügigen Abschwächung, "einer Verschnaufpause", gerechnet, jedoch bleiben die ostdeutschen Unternehmer selbstbewußt, da sie sich für weiterhin wettbewerbsfähig halten und die Exportausfälle vorübergehend im Inlandsgeschäft ausgleichen könnten. Immerhin lagen die Auftragseingänge aus dem Ausland in den Monaten Sept./Okt./Nov. 1997 um etwa 40% über denen des Vorjahrs (BMWi; Pressemeldung 8.1.98). Sinkende Lohnstückkosten (Vgl. Löhne) werden die Wettbewerbsfähigkeit weiter erhöhen.
Die Bauwirtschaft
Für das kommende Jahr
kalkuliert der Landesverband der Bauindustrie intern einen
Konjunkturrückgang von bis zu 12 Prozent. Verantwortlich dafür
sei ein drastischer Auftragseinbruch von fast 20% (Volksstimme 25.11.97). Der Hauptverband des Deutschen Baugewerbes
erwartet für 1998 einen Rückgang der Bauinvestitionen von 3
Prozent, wobei im Bauhauptgewerbe sogar mit einem Rückgang von
sieben bis acht Prozent gerechnet wird (Volksstimme 3.12..97). Das DIW geht sogar von einem 4,3%igen Rückgang
aus (DIW Wochenbericht 1/98). Auch das IW in Halle kommt aufgrund ihrer
Befragung zu dem Schluß, daß die Talsohle in der Bauwirtschaft
noch nicht erreicht ist. Ferner entrüstet die Bauunternehmungen
das von Blüm neu ausgelegte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, da
das die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zur Erfüllung von
Großaufträgen unterbindet. So können sich kleinere und
mittlere Betriebe nicht mehr an lukrativen Aufträge beteiligen (Volksstimme 25.11.97). Ferner warnte der Hauptgeschäftsführer des
Baugewerbeverbandes Sachsen-Anhalt, Volker Spoer, vor Kürzungen
im Landeshaushalt für Bauinvestitionen für das Jahr 1998.
Außerdem forderte die Interessenvertretung von 1000
mittelständischen Baubetrieben die Amtsgerichte auf,
Mahnverfahren bei Zahlungsverzug "deutlich zu
beschleunigen". Eine Verfahrensdauer von nicht selten über
einem Jahr sei nicht akzeptabel, da es für viele Baubetriebe
überlebensnotwendig ist (Volksstimme
7.11.97).
Auf ihrer letzten Sitzung setzte die Deutsche Bundesbank ein klares Stabilitätssignal im Vorfeld der Einführung des Euro. So soll die Geldmenge 1998 nur noch zwischen 3,00 und 6,00 % wachsen. Aber auch trotz der preissteigernden Wirkung der Mehrwertsteuererhöhung (vgl. Staat und Inflation), sieht sie keinen Anlaß, derzeit die Zinsen zu erhöhen, denn aufgrund der nur geringen Steigerung der gesamtdeutschen Lebenshaltungskosten (+ 0,30%-Punkte) müsse nicht sofort reagiert werden. Bundesbankpräsident Tietmeyer will aber nicht ausschließen, daß in der ersten Hälfte dieses Jahres Zinserhöhungen nötig werden und auch weitere Experten gehen davon aus, daß zumindest der Geldmarktsatz auf gut 4,00% steigen dürfte, was aber nach unserer Meinung nicht vor Mitte des zweiten Quartals geschehen wird.
Die Steigerung der Löhne
wird sich vermutlich auf den Ausgleich der Inflationsrate
beschränken, wie sich dies schon bei den Auseinandersetzung im
Stahlbereich gezeigt hat. Das Realeinkommen wird sich deshalb
insgesamt um 0,2-0,5% verringern. Somit werden die
Lohnstückkosten auch gesamtwirtschaftlich weiter sinken. Dies
wird die Wettbewerbsposition der Neuen Länder national und
international stärken. Nach Berechnungen der Forschungsinstitute
dürften die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1997 die der
Alten Länder um 21% und 1998 nur noch um 19% übersteigen (Südd. Zeitung 21.11.97). Anders die Situation im Verarbeitenden
Gewerbe. Während der Anteil der Bruttolohn- und
gehaltssumme in diesem Bereich der Neuen Bundesländer in
den ersten neun Monaten des Jahres 1996 mit 19,53 DM nur knapp
unter dem Wert von 19,64 DM im Westen lag, hat sich der Abstand
in den ersten neun Monaten des Jahres 1997 vergrößert. In den
Neuen Ländern betrug der Anteil 18,03 DM und in den Alten 18,41
DM.
Die spannende Frage des Jahres 1998 ist, ob der
Flächentarifvertrag in den Neuen Ländern überlebt, da
beispielsweise nach einer Schätzung des DIW "nicht einmal
50% der ostdeutschen Metall- und Elektrobeschäftigten nach Tarif
bezahlt" werden (Volksstimme
14.11.97). So bedarf es gar
keiner weiteren Kommentare des BDI - Präsidenten Henkel, denn:
"Durch den Mitgliederschwund haben sowohl IG Metall als auch
die Verbände kaum noch Einfluß." (WirtschaftsWoche 8.1.98, S. 28)
Aktualisierter Prognosespiegel für 1998 (Neue Bundesländer):
Interministerialer Arbeitskreis "Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung"
2,5% Wachstum des realen BIP (Wirtschaftsdaten Neue Länder 11/97 S.6)
IW (Köln): 2,3% Wachstum des realen BIP (Südd. Zeitung v. 28.11.1997)
Sachverständigenrat: 2¼ % reales Wachstum (Jahresgutachten des SVR 1997/98 v. 15.11.97)
Die Forschungsinstitute:
Insgesamt: 2,4% reales Wirtschaftswachstum (Herbstgutachten der Forschungsinstitute, DIW Wochenbericht 44/97) nach: 2% reales Wirtschaftswachstum (Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute)
DIW: 1,7% Witschaftswachstum (Handelsblatt v. 7.198, S. 7) nach:
1,5% Wirtschaftswachstum (DIW Wochenbericht 27/97)
HWWA: 2,4% Wachstum des realen BIP (Volksstimme v. 18.12.97) nach:
3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 17.7.1997, S. 4)
IfW (Kiel): 2,8% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 26.6.1997)
IWH: 2,4 % Wachstum des BIP (Südd. Zeitung v. 22.12.97) nach
2,8% Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 21.7.97)
RWI: 2,5% Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 13.12.97) nach:
2,5% Wachstum des BIP für 1998 (FAZ v. 15.7.97, S. 15)
für 1999 4% Wachstum des BIP (Handelsblatt v. 13.12.97)
Die Banken:
Commerzbank: 3% Wachstum des realen BIP (Konjunkturtrend 11/12.97 v. 18.11.97)
WestLB: 2,½% Wachstum des realen BIP (1.12.97 http://www.westlb.de)
und 3% Wachstum des realen BIP für 1999
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Bredl, G. (Export)
Helmecke, K. (Investitionen); König, A.(Konsum); Schulze, M. (Staat);
Fehse, N. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de