Konjunkturteam "Altmark"
Bericht I/97 vom 14.Januar 1997


Bericht zur Konjunkturlage (Neue Bundesländer) :

Prognose:

Konjunkturindex des Konjunkturteams "Altmark": Wenig Wachstum in den Neuen Bundesländern


nachrichtlich:

Konjunkturindex des Handelsblatts: Ostdeutschlands Konjunktur lebt derzeit vom Prinzip Hoffnung (Handelsblatt v. 24.12.96, S. 5)

Nachfrageseitige Faktoren
Für Ostdeutschland liege der Schluß nahe, daß der Aufhohlprozeß vorerst zum Stillstand gekommen ist. Erstmals seit der Wiedervereinigung wird das Wachstum im Osten vermutlich geringer als im Westen ausfallen. Da bisher keine Verringerung der Abgabenlast der Verbraucher in Sicht ist, wird die Konsumfreude der privaten Haushalte weiterhin pessimistisch beurteilt. Dies spiegelt sich auch im ICON- Konsumbarometer und im BBE-Einzelhandelsindex 1996 wieder, da beide unter dem Wert 100 liegen, für den beide einen Ausgleich von optimistischen und pessimistischen Einschätzungen anzeigen. Zahlreiche Betriebe aus den Neuen Bundesländern (42%) hoffen, ihre Umsätze halten zu können, weitere 37 % befürchten jedoch Umsatzrückgänge (FAZ v. 29.12.1996). Auch die Prognosen für das Jahr 1997 sehen durchgehend pessimistisch aus. So schätzt die GfK den realen Anstieg des Einzelhandelsumsatzes im Jahre 1997 auf nicht mehr als 0,5 Prozent. Allerdings hält das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen realen Zuwachs von 2,5 Prozent für erreichbar. Das Ifo-Institut liegt mit einer Schätzung von real 1,5 Prozent innerhalb eines relativ homogenen Prognosespektrums. (FAZ v. 29.12.1996). Diese doch pessimistischen Wachstumsraten resultieren aus der 1997 ansteigenden Rentenversicherung von 19,2 auf 20,3 Prozent. In den Neuen Bundesländern wird sich die, am 1. Januar inkrafttretende, 2. Stufe des Mietenüberleitungsgesetzes zusätzlich belastend auf die Kaufkraft auswirken. Auch der schlechte Arbeitsmarkt wird seinen Beitrag für das geringe Wachstum der Kaufkraft leisten. Zusammenfassend kann man sagen: Wenn sich der Arbeitsmarkt und die Steuerpolitik der Bundesregierung nicht zu Gunsten der privaten Haushalte auswirken, wird sich die teilweise stagnative Situation auf dem Einzelhandelsmarkt auch auf längere Sicht nicht zum Positiven wenden.

Für 1997 wird zwar noch mit einer Ausrüstungsinvestitionszunahme in Höhe von 5% gerechnet, obwohl die ansteigende Zahl der Firmenpleiten (1996 + 35%) ihren Höhepunkt wohl noch nicht erreicht hat. Gerade bei den Planungen der kleinen und mittleren Betriebe kommt die große Schwierigkeit hinzu, daß für ihre Anlageinvestitionen benötigte Fremdkapital zu beschaffen. Eine Finanzierung durch eigene Gewinne scheidet in den Neuen Bundesländern nahezu aus, da nach einer Umfrage z.B. 70% der Betriebe des Maschinenbaus in den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Verlust arbeiten (Handelsblatt v. 13.11.96, S. 20). Auch das Hin und Her bei der Debatte um die Ein- oder Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer wird die Investitionsneigung in den Neuen Bundesländern nicht gerade positiv beeinflussen. Auch das vom Ifo-Institut ermittelte Geschäftsklima liegt erst seit Dezember wieder knapp im positiven Bereich (Ifo-Wirtschaftskonjunktur) und spricht damit nicht gerade für eine Belebung der Konjunktur. Somit bleiben die Investitionen, sowohl beim Bau wie bei den Ausrüstungen die große Schwachstelle der ostdeutschen Konjunktur.

Um eine Neuverschuldung des Staates von "nur" 2,5% zu erreichen, erhebt der Bund u.a. den Soli-Zuschlag ´97 noch in voller Höhe (=ca. 3,5 Mrd. DM), seine Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung (=ca. 1,7 Mrd. DM) betreffen vor allem die ABM in den Neuen Bundesländern (s.o. Arbeitslosigkeit). Insgesamt werden die Transfers für Ostdeutschland seit ´93 (172 Mrd. DM) auf wahrscheinlich 140 Mrd. DM ´97 (-4 Mrd. DM gegenüber ´96) sinken. Besonders betroffen sind ´97 davon die Zahlungen vom Bund an die Länder (15,5 nach 17,6 Mrd. DM) im Straßenbau mit 0,8 Mrd. DM (´96: 1,5 Mrd. DM), die Streichung der Finanzhilfen für Pflegeeinrichtungen Ost (0,8 Mrd. DM) sowie die Schrumpfung des Vorruhestands-/Altersübergangsgeldes um 2,9 auf 2,1 Mrd. DM. Zum 1.1.´97 fällt die Vermögenssteuer als Ländersteuer weg (=ca. 9,3 Mrd. DM). Im Gegenzug erhalten die Länder 8,1 Mrd. DM p.a. aus der Erhöhung der Grunderwerbsteuer (von 2 auf 3,5%) und der Erhöhung der Erbschaftssteuer. Die Gewerbekapitalsteuer (in den Neuen Bundesländern bis zum 31.12.´96 ausgesetzt) wird wahrscheinlich rückwirkend zum 1.1.´97 abgeschafft. Der Auslauf des Fördergebietsgesetzes, besonders die Reduzierung der Wobau-Abschreibung von 50 auf 25% im Osten sowie die Kürzung des Wohngeldes im Osten wird trotz der Anhebung der Förderung von Altbausanierungen auf 40% den Motor der Konjunktur - den Bau - hart treffen. Da 44% der ostdeutschen Unternehmen eine Eigenkapitalquote von unter 10% haben, kommen die Liquiditätshilfedarlehen Ost mit 390 Mio. gerade recht. Da das BIP je Einwohner in Ostdeutschland unter 75% des EU-Durchschnittes liegt, fließen in dieses "Ziel-1-Gebiet" Strukturzuschüsse, z.B. in Sachsen-Anhalt 1994-1999 in Höhe von 4,5 Mrd. DM. Die durch den Staat aus dem Altparteivermögen (ca. 50 Mio. DM) gegründete Investment-GmbH soll mit ihren 20-25 Mitarbeitern ab 1997 bis vorerst 1999 große Unternehmen im Ausland für Investitionen in Ostdeutschland gewinnen.

Der Freistaat Sachsen ist das einzige Land, welches auf dem besten Wege ist, die Importrate zu senken. Unternehmer Sachsens rechnen mit einer Exportsteigerung von mindestens 10% für das Jahr 1997. Trotz allem beträgt der Anteil der Neuen Bundesländer am Gesamtexport der Bundesrepublik nur knappe 2% (Handelsblatt v. 15./16.11.96, S. 9). Die weitere Entwicklung dieser beiden Größen hängt in hohem Maße davon ab, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft entwickelt. Dies wiederum wird überwiegend vom Lohn - Produktivitäts - Verhältnis geprägt (s.u. Löhne).

Die Bauwirtschaft
Gegenwärtig stehen viele Wohnungen und vor allem ein großer Teil von Büroräumen leer. Beispielsweise ist in Leipzig jedes 3. Büro ungenutzt. Schätzungen zufolge wird Ende 1997 eine Leerstandsrate von 34% erreicht werden. Denn auch die Dienstleistungsunternehmen, wie Banken und Versicherungen haben ihre Expansions- und Gründungsphase bereits abgeschlossen. Ebenso fragen auch die Medien- und Werbeagenturen keine Geschäftsräume mehr nach. Als Folge der überschüssigen Wohn- und Geschäftsfläche sanken die Mieten, um trotz dieser Umstände noch Einnahmen zu erzielen. Viele Vermieter boten sogar Fünf-Jahres-Verträge mit einem Jahr Mietfreiheit an, um den leerstehenden Wohnraum attraktiv zu gestalten (Volksstimme v. 29.11.96). Zum Jahreswechsel 1996/97 werden die Sonderabschreibungssätze für Alt- und Neubauten gesenkt, weswegen Bauwillige ihre Vorhaben vorzogen, so daß es 1997 zu einem überproportionalen Rückgang kommen wird. Zusätzlich muß beobachtet werden, welche Auswirkungen die Abschreibungsänderungen auf die Anlagebereitschaft in Immobilienfonds haben werden. Hinzu kommt, daß das Baupreisniveau bis 1995 durch Preissteigerungen gekennzeichnet war, die erst 1996 zum Stillstand kamen. über die Erhöhung der Grunderwerbsteuer (s.o. Staat) verteuert sich der Hauskauf zusätzlich. All dies drückt natürlich die Renditeerwartungen, allein das niedrige Zinsniveau (s.u. Zins) begünstigt noch die Bauwirtschaft. Noch vor dem Kälteeinbruch des aktuellen Winters "sackte das Stimmungsbarometer des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ab" (WirtschaftsWoche v. 9.1.97), das die Stimmung in der Bauwirtschaft mißt. 43% der 300 befragten Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage mit "schlecht" oder "sehr schlecht".

Angebotsseitige Faktoren
Bei den Zinserwartungen für 1997 sind sich selbst die führenden Analysten uneinig und vorsichtig. Die WestLB erwartet einen leicht aufwärts gerichteten Trend und die Commerzbank sieht die Umlaufrendite Mitte 1997 bei ca. 6,5% ("Weichen für moderaten Zinsanstieg sind gestellt."), wohingegen der Schweizerische Bankverein Deutschland weitere Zinssenkungen nicht ausschließen will. Die Bundesbank sieht wohl keinen Handlungsbedarf für restriktive Maßnahmen, da die Geldwertstabilität momentan nicht in Gefahr ist. In Gesamtdeutschland schreitet die konjunkturelle Erholung voran, aber es gibt keine Anzeichen für eine kräftige Belebung. Steigende Preise sind also kaum zu erwarten, denn die Kapazitätsauslastung der Unternehmen ist niedrig, was damit eher zu einer verschärften Konkurrenz und damit zu niedrigeren Preisen führt. Dies alles macht es sehr wahrscheinlich, daß die Zinsen, wenn auch nach einer kurzfristigen Gegenreaktion, weiter sinken oder zumindest stagnieren.

Hinsichtlich der Lohn - Produktivitätsentwicklung gibt es auch positive Tendenzen. Zum Beispiel haben die ostdeutschen Stahlfirmen 1996 den Anschluß an das Produktionsniveau in den alten Bundesländern im wesentlichen geschafft (Die Welt v. 3.1.97). Auch im Textilbereich zeichnen sich nach scharfem Personalabbau erstmals positive Tendenzen ab (Altmark - Zeitung v. 24.12.96). Doch bleibt dies nur ein Lichtschimmer am Horizont. Nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle betrug allerdings die Produktivität aller Unternehmen, gemessen an der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, 1995 im Vergleich zum Westen gerade 54%. Nur die Kreditinstitute, Versicherungen und der Bau schneiden hier besonders günstig ab. Aus der bisherigen Entwicklung ergibt sich, daß die Produktivität in den Neuen Bundesländern weiter steigen muß, um sich den Produktivitätswerten der alten Bundesländer zu nähern bzw. diese auf längere Sicht zu erreichen. Aber gerade hierzu sind weitere Investitionen von Nöten, an denen es mangelt (s.o. Investitionen). In wieweit die Bezahlung unter Tarif, die sich in den Neuen Bundesländern immer mehr durchsetzt, die Lohnstückkosten senken wird, muß sich noch zeigen. So ergab eine Befragung des isw in Halle, "daß etwa 38 Prozent der Betriebe Sachsen-Anhalts und 65 Prozent der Beschäftigten auf der Grundlage eines gültigen Branchentarifvertrages arbeiten." (Volksstimme v. 21.11.96) Der Sachverständigenrat rechnet nach 1996 auch 1997 mit einem weiteren Anstieg der Lohnstückkosten um 2,25%, im Westen hingegen sollen sie um 0,5% sinken.






Aktualisierter Prognosespiegel für 1997 (Neue Bundesländer):

DIHT: 1 bis 3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IW: 3,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
Sachverständigenrat: 2¼ % Wachstum des realen BIP (Sachverständigenrat 1996/97)
1. HJ. 97: 3,5% und 2. HJ. 97: 1%
WSI: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)

Die Forschungsinstitute:

Insgesamt: 2% reales Wirtschaftswachstum (Sozialpolitische Umschau vom 11.11.96)
DIW: etwa 1% Wirtschaftswachstum (Volksstimme v. 8 1. 1997)
HWWA: 3% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
Ifo: 2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IfW (Kiel): 3,2% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
IWH: Wachstum etwas höher als 2,5% (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
RWI: 2,75% Anstieg des realen BIP (Handelsblatt v. 20.12.1996, S. 5)

Die Banken:

Bundesverband der
Deutschen
Volksbanken
und Raiffeisenbanken: um etwa 2% (Handelsblatt v. 19.12.1996, S. 5)
Deutsche Bank: 2,0% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
DG-Bank: über 2,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)
WestLB: 1,5% Wachstum des realen BIP (Handelsblatt v. 31.12.1996, S. 10)


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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Bradler, F. (Zins); Braunsdorf, K. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Galster, H.C. (Export)
Helmecke, K. (Arbeitslosigkeit); König, A.(Konsum); Kriester, D. (Investitionen);Schulze, M. (Staat);
Künnemann, D. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Schrader,A. (Bauwirtschaft)

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de