Konjunkturteam "Altmark"
Bericht IV/99 vom 14.Oktober 1999


Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:

Lageanalyse 3. Quartal 1999:

Datenlage
 
 
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: Inflationsrate*
(Lebenshaltung aller priv. Haushalte)
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt)
Wachstumsrate des realen BIP*
in Preisen v. 1991
(saisonbereinigt)
Saldo der Leistungsbilanz
(in Mrd. DM)1)
(Gesamtdeutschland))
Zinssatz
(Umlaufsrendite)

(Gesamtdeutschland)

1992 13,5 % 14,5% 7,8 % -21,1 8,1 %
1993 10,5 % 15,1 % 8,9 % -14,9 6,4 %
1994 3,7 % 15,2 % 9,8 % -36,5 6,7 %
1995 2,1 % 14,0 % 5,3 % -27,2 6,5 %
1996 2,2 % 15,7 % 1,9 % -8,4 5,6 %
1997 2,1 % 18,1 % 1,6 % -2,4 5,1 %
1998  1,2 % 18,2 %  2,1 %  -7,4 4,5 % 
3. Quartal 1998 0,8 % 16,9 % 1,6 % -6,3 4,7 %
4. Quartal 1998 0,67 % 16,3 % 0,9 % 1,4 3,9 %
1. Quartal 1999 0,2 % 18,8 %   -5,9 3,7 %
2. Quartal 1999 0,4 % 17,0 %   +3,4 3,8 %
3. Quartal 1999 0,4 % 2) 17,4 % 3)      
Juli 1999 0,4 % 17,4 %   -3,1 4,4 %
August 1999 0,3 % 17,6 %     4,7 %
September 1999 0,4 %2) 17,2 %3)      

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1)Im Rahmen der diesjjährigen Revision der Leistungsbilanzdaten wurden methodische Änderungen vorgenommen 2)Statistisches Bundesamt Pressemitteilung v.12.10.99 3) Bundesanstalt für Arbeit Pressemitteilung v. 06.10.99

Nachfrageseitige Faktoren
Der private Konsum läßt den Einzelhandel optimistischer in die Zukunft blicken. Ursache hierfür ist der Anstieg beim BBE-Index. Dieser stieg im August auf 99,25 Punkte. Im Juli lag er noch unter 95 Punkte. Der Anstieg um ca. 5 Punkte signalisiert die besseren Geschäftserwartungen der Einzelhändler. Allerdings sehen die Einzelhändler in den neuen Bundesländern die Entwicklung ihrer Umsätze nicht so positiv wie ihre Kollegen in den alten Ländern, die sogar einen Indexwert von 110,8 Punkten erreichten. Wenn man den Wert zum Vorjahresmonat betrachtet, so stieg er um mehr als 10 Punkte (Handelsblatt 21.09.99). Die gute Stimmung widerspiegeln auch die gestiegenen Umsätze von 37 % im Monat Juli (Handelsblatt 21.09.99). Immerhin 23% der ostdeutschen Händler erreichten zumindest das Ergebnis vom August 1998 (Handelsblatt 21.09.99). Der Ifo-Geschäftsklimaindex verschlechterte sich dagegen um 1,3 Punkte auf -21,7 im Monat August. Wenn man aber die letzten Monate betrachtet, so ist der Index doch recht stabil. Er lag zwischen -20,4 und -22,3 Punkten (Handelsblatt 29.09.99).Die entscheidenden Impulse für ein Anziehen der Einzelhandelsumsätze sind aber nicht zu erkennen. So sind im August die Umsätze im Einzelhandel, nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes, real um +0,8% zum Vorjahresmonat gestiegen (Statistisches Bundesamt 13.10.99).

Der positive Trend bei den Ausrüstungsinvestitionen von +8,6% in 1998 dürfte sich auch im 1. Halbjahr 1999 fortgesetzt haben (Sozialpolitische Umschau 20.09.99, FAZ: 21.09.99) Im Zuge erhöhter Auftragseingänge aus dem Ausland und günstiger monetärer Bedingungen sollte die private Investitionsnachfrage stimuliert werden (Handelsblatt 21.09.99). Dagegen sind die Investitionen in der Informationstechnik, die mit +18% stark stiegen, zumeist vorgezogene Investitionen. Diese erfolgen meist aufgrund der Unsicherheit vor Computerproblemen, verbunden mit dem Jahrtausendwechsel (FAZ, Handelsblatt, Wirtschaftswoche). Auch die Stromwirtschaft arbeitet mit Hochdruck daran, die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um einen unkomplizierten Versorgerwechsel für ihre Kunden zu ermöglichen. So investierte die VEAG in diesem Jahr 20 Mio. DM in die Modernisierung ihrer Anlagen.

Nach der Sommerpause und dem Regierungswechsel von Bonn nach Berlin setzt die Regierung ihr Reformvorhaben fort. Dabei stehen der Umbau der Unternehmensbesteuerung samt Verminderung der Steuerlast, die geplanten Einsparmaßnahmen des Haushalts von 30 Mrd. DM und die Selbstverpflichtung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zu einer beschäftigungsorientierten Tarifpolitik im Mittelpunkt (Capital 9/99). Auch nehmen die Planungen für den Bundeshaushalt 2000 immer mehr Gestalt an. Bundesfinanzminister Eichel plant darin die Sonderförderung Ost mit 39,9 Mrd. DM (1,9 Mrd. DM weniger als im Vorjahr). Die Kürzung des Staates beträfe vor allem die aktive Arbeitsmarktpolitik von 13,6 auf 11,8 Mrd. DM. Die regionale Wirtschaftsförderung erhielte danach 0,3 Mrd. DM weniger als noch in 1999. Die Mittel zur Förderung von Innovation und Forschung von 3,2 Mrd. DM blieben konstant. Aus dem geplanten Bundeshaushalt würden im Jahr 2000 ca. 40 Mrd. DM in die Förderprogramme-Ost fließen (5% weniger als 1999). Weiter ist im Jahr 2000 geplant den Kinderbetreuungsfreibetrag in Höhe von 3024 DM einzuführen. Im Rahmen ihrer sozialpolitischen Maßnahmen beschloß die jetzige Regierung die Erhöhung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um 20 DM. Da Teile des Haushalts 2000 zustimmungsbedürftig sind, stünde bei Ablehnung der gesamte Haushalt neu zur Disposition. In einer weiteren Aktion wurde das Steuerbereinigungsgesetz vorgestellt. Dieses sieht eine 25%ige Besteuerung von Erträgen aus langlaufenden Kapitallebensversicherungen ab dem 1. Januar 2000 vor (Wirtschaft&Markt 10/99).

Weiterhin herrschen gute Aussichten in der ostdeutschen Exportwirtschaft. Die Umsätze in den ersten sieben Monaten 1999 stiegen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12,4%. Dabei konnte gegenüber dem Vormonat die Investitionsgüterindustrie mit 4,7% und die Ge- und Verbrauchsgüterindustrie mit 1% den stärksten Anstieg verbuchen. Für Gesamtdeutschland lag der Juliwert mit 86,4 Mrd. DM um 0,7% und der Augustwert mit 75 Mrd. DM um 0,3% höher gegenüber dem Vorjahr (Statistisches Bundesamt). Damit beläuft sich der Wert der Ausfuhren für die ersten acht Monate auf 635,8 Mrd. DM. Wir gehen davon aus, dass sich die Exporte nach Westeuropa deutlich besser entwickeln werden als die Exporte in die alten Krisenregionen.

Die Bauwirtschaft
Im Gegensatz zu Westdeutschland befindet sich die ostdeutsche Bauwirtschaft noch immer in einer Talsohle. Auch im 3. Quartal 1999 ist keine Verbesserung in Sicht. Bautätigkeit und Auslastungsgrad blieben in den Sommermonaten weiterhin schwach. So lag die Geräteauslastung bei 71% (Handelsblatt 27.07.99). Düster sind die Aussagen des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Ignaz Walter. Er schildert für das ostdeutsche Bauhauptgewerbe eine steil nach unten gerichtete Konjunktur. Bis Juli habe das Auftragsminus bei 4,6% gelegen. Von dieser Entwicklung sind der Wohnungsbau, der Wirtschaftsbau und der öffentliche Bau im gleichen Umfang betroffen. Zu Beginn des 2. Halbjahres habe sich der Abschwung sogar wieder verstärkt (Volksstimme 14.10.99). Real sind die Auftragseingänge um 3% und die Bestellungen um 0,5% gegenüber dem Vorjahr gesunken (FAZ 19.08.99). Auch der Personalabbau (siehe Arbeitslosenquote) setzte sich in der ostdeutschen Bauwirtschaft fort.

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Angebotsseitige Faktoren
Die öffentlichen Diskussionen bei der Lohnpolitik und dem Flächentarifvertrag verlieren auch im 2. Halbjahr nicht an Aktualität. Nach Angaben des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall ist der Anteil der tarifgebundenen Betriebe in Ostdeutschland auf 32,2% (West 64,78%) gesunken. (Volksstimme 31.09.99) Gesamt gesehen ist nur rund jeder vierte ostdeutsche Betrieb an einen Flächentarifvertrag gebunden (West: knapp jeder zweite). Gemessen an den Arbeitsplätzen sieht die Situation noch etwas besser aus. Brandenburg hat mit 52% die höchste Zahl der an einen Flächentarifvertrag gebundenen Beschäftigten, Mecklenburg-Vorpommern mit 45% die niedrigste (West: rund 68%). Insgesamt arbeiten in den neuen Bundesländern 37% der Beschäftigten und 67% der Betriebe ohne tarifliche Bindung (Volksstimme 06.08.99). In 1998 konnten die Bruttojahresverdienste der Arbeitnehmer des produzierenden Gewerbes gegenüber dem Vorjahr zulegen. Sie stiegen in den neuen BL um 2,5% auf 49.896,- DM (West um 2,6% auf 70.265,-DM). Dabei stiegen die Angestelltengehälter um 3,2%, hingegen die Arbeitslöhne nur um 2,1%. Gestiegen sind die Gehälter im Handels-, Kredit- und Versicherungsgewerbe um 3,4% auf 49.913,- DM (West um 2,7% auf 66.967,-DM). Die Jahresangaben umfassen auch die unregelmäßig gezahlten Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt und Gewinnbeteiligungen, die im Osten deutlich weniger verbreitet sind. (Sozialpolitische Umschau 09.08.99) Zwar wurden die Gehälter für Arzthelferinnen von 80 auf 81,5% des Westtarifs erhöht (Volksstimme 24.08.99), ansonsten ist aber der Anpassungsprozess weitgehend zum Stillstand gekommen, wobei das Ostgehalt noch weit hinter dem Westgehalt zurück liegt. So liegen die Arbeitskosten im Westen, trotz einer Steigerung in den neuen Bundesländern laut IW-Erkenntnissen von 50% gegenüber 1992, noch deutlich höher. Sie betragen in Westdeutschland 47,96 DM/h gegenüber 30,30 DM/h in Ostdeutschland (Handelsblatt 13.07.99). Die Produktivität ist in den neuen Bundesländern noch deutlich niedriger und düfte sich durch die Kapitalschwäche nicht so bald angleichen. Die Kapitalausstattung der Arbeitsplätze liegt bei etwa 60% vom Westniveau (IfW 21.09.99, FAZ 21.09.99)<7font>. Ein weiteres Problem für die Produktivitätslücke sind die niedrigen Preise, die weniger bekannte ostdeutsche Produkte am Markt erzielen (Volksstimme 23.09.99).

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Im 3. Quartal 1999 sind die Zinsen am Kapitalmarkt deutlich angezogen. Im Gegensatz dazu behielt die EZB den Hauptrefinanzierungssatz von 2,5% bei. Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt bei 3,5% und der Einlagesatz bei 1,5%. Für eine Erhöhung der Zinsen lagen auch keine ausreichenden Gründe vor. Die Geldmengenentwicklung verläuft stabil und die Inflation liegt unterhalb der von der EZB verkündeten mittelfristigen Preisstabilität von 2%. Die Umlaufrendite stieg von 4,2% bis auf 4,9% in der Spitze. Damit sollte in den Kursen eine Zinserhöhung der EZB bereits eingepreist sein. Die Zinssätze am Rentenmarkt sind bei Kurzläufern mit 1 Jahr Restlaufzeit von 2,9% im Juni, auf 3,16% im August gestiegen. Bei den Langläufern mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren stieg die Rendite im gleichen Zeitraum von 4,76% auf 5,14%. Der Euro stabilisierte sich im letzten Quartal in der Zone von 1,05 Dollar je Euro. Mehrfach betonte Ernst Welteke, der neue Bundesbankchef, dass er mit der Entwicklung des Euro's sehr zufrieden sei.
 
 
 
 
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Herausgeber:

Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Wruck, M.(Arbeitslosigkeit); Schrader, A.;Gläser, T. (Bauwirtschaft); Jacob, R. (Export);
Brückmann, B. (Inflation); Bradler, F. ; Braunsdorf, K.;Klingner, D. (Investitionen);
König, A. ; Schleef, A. (Konsum);
Fahldieck,A.;Fehse, N. (Löhne); Schulze, M.;Vorpahl, D. (Staat);
Patzig, W.(Wachstum); Brattan, M.; Klingner, D. (Zins)


Redaktion:

Bernd Bückmann und Wolfgang Patzig
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg - Stendal;
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