Konjunkturteam "Altmark"
Bericht II/98 vom 15.April 1998
Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:
Lageanalyse 1. Quartal 1998:
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: | Inflationsrate* (Lebenshaltung aller priv. Haushalte) |
Arbeitslosenquote
(Erwerbspersonen insg.) (nicht saisonbereinigt) |
Wachstumsrate des realen BIP* in Preisen v. 1991 (saisonbereinigt) |
Saldo der Leistungsbilanz (in Mrd. DM) (Gesamtdeutschland)) |
Zinssatz (Umlaufsrendite) (Gesamtdeutschland) |
1992 |
13,5 % |
14,5% |
7,8 % |
-30,2 |
8,1 % |
1993 |
10,5 % |
15,1 % |
8,9 % |
-23,2 |
6,4 % |
1994 |
3,7 % |
15,2 % |
9,8 % |
-32,9 |
6,7 % |
1995 |
2,1 % |
14,0 % |
5,3 % |
-32,4 |
6,5 % |
1996 |
2,2 % |
15,7 % |
1,9 % |
-21,0 |
5,6 % |
1997 |
2,1 %1) |
18,1 % 2) |
1,6 % |
-1,7 |
5,1 % |
1. Quartal 1997 |
1,7 % |
18,6 % |
1,6 % |
-9,2 |
5,0 % |
2. Quartal 1997 |
1,7 % |
17,3 % |
2,1 % |
4,8 |
5,0 % |
3. Quartal 1997 |
2,4 % |
18,2 % |
2,1 % |
-4,2 |
5,0 % |
4. Quartal 1997 |
2,3 % |
18,6 % |
0,5 % |
+7,6 |
5,2 % |
1. Quartal 1998 |
1,5 % |
21,02 % |
|||
Januar 1998 |
1,7 % |
21,1 % |
4,9 % |
||
Februar 1998 |
1,5 % |
21,3 % |
4,7 % |
||
März 1998 |
1,4 %1) |
20,6 %2) |
Quelle: Deutsche Bundesbank
Monatsberichte + saisonbereinigte Wirtschaftszahlen und eigene
Berechnungen * Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum
1)Statistisches Bundesamt
Pressemitteilung v. 7.04.98 2) Bundesanstalt für
Arbeit; Pressemitteilung 22/98 v. 7.4.98
Inflationsrate: Unter 2% Anstieg !
Zur Analyse der Inflationsrate betrachten
wir die Preisentwicklung bei verschiedenen Gütern. In
unserer Analyse beziehen wir uns auf die Preise für die
Lebenshaltung in den Neuen Bundesländern. Der Preisanstieg
entwickelte sich im I. Quartal 1998 weiterhin rückläufig.
Er lag im Januar bei +1,7%, im Februar bei +1,5% und im März
+1,4% gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Teuerungsrate liegt
somit wieder unter 2%. Diese Entwicklung ist als erfreulich
zu werten, da man einer Preisstabilität in den Neuen
Bundesländern wieder etwas näher kommt. Erwähnenswert ist,
daß der gesamtdeutsche Preisindex für die Lebenshaltung,
seit dem Beginn seiner Berechnung im Jahre 1991, die
niedrigste Jahresteuerungsrate erreicht hat. Das ist ein
Zeichen, daß auf wachsende Preisstabilität hindeutet. Im
Januar 1998 lag die Inflationsrate für die Lebenshaltung bei
+1,7%. Der Preisindex ist gegenüber Dezember 1997 um +0,1%
angestiegen. Dabei ist positiv anzumerken, daß die
Wohnungsmieten in diesem Zeitraum nur um +1,8% gestiegen
sind, gegenüber dem Vormonat mit +2,9%. Preisrückgänge
sind bei Kraftstoffen um 3,1% und Heizöl zu verzeichnen.
Stärkere Preiserhöhungen um +20,9% wurden bei Frischgemüse
ermittelt. Im Monat Februar 1998 stieg der Preisindex
gegenüber dem Vormonat um 0,2%. Die Preiserhöhungen, die
besonders ins Gewicht fielen, waren bei den
Kindergartengebühren +1,5%, im öffentlichen Nahverkehr
+1,2% und bei Zeitungen um +1,0%. Weiter gefallen sind
dagegen die Preise bei Kraftstoffen um 0,3% und Heizöl. Im
März gab der Preisindex gegenüber dem Vormonat mit -0,1%
sogar nach. Wie seit längerem waren die Erdölprodukte und
die Gebühren für Telefongespräche inflationssenkend, die
Wohnungsmieten erhöhten sich ggü. dem Vormonat nicht, die
Preise im Personennahverkehr erhöhten sich um 1,6% (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Arbeitslosenquote: Düsteres Bild
Weiterhin beängstigend ist es, daß die
Zahl der registrierten Arbeitslosen in den Neuen
Bundesländer wieder gestiegen ist. Die Quote betrug im März
20,6 %, während sie im Dezember noch bei 19,4 % lag. Im
Vergleich dazu waren im März des vergangenen Jahres 18,3 %
der zivilen Erwerbspersonen arbeitslos. Diese gestiegenen
Zahlen sind nicht mehr nur auf einen saisonalen Einfluß
zurückzuführen. In den Bauberufen lag die Quote der
Arbeitslosen bereits 22 % über dem Vorjahresniveau.
Außerdem war ein überdurchschnittlicher Anstieg der
Arbeitslosenzahlen bei den baunahen Fertigungsberufen zu
verzeichnen. Dort lag die Quote 30 % über dem Vorjahreswert.
Gründe dafür sind die Einbrüche im ostdeutschen
Baugewerbe, welches bereits im dritten Jahr rückläufig ist.
Die Krise in der Bauwirtschaft wirkt sich in den Neuen
Bundesländern besonders stark aus, da das
gesamtwirtschaftliche Gewicht dieses Sektors sehr groß ist.
Die konjunkturelle Talfahrt im Bau wird sich noch
beschleunigt fortsetzen (Handelsblatt
16.03.98). Ebenfalls entfiel der
größte Teil der Kurzarbeiter auf das Baugewerbe. In
beschäftigungsschaffenden Maßnahmen fanden 96.000 weniger
Arbeitslose eine befristete Tätigkeit als im Vorjahr. Jedoch
ließ sich im I. Quartal 1998 eine Besserung feststellen. Im
März 1998 fand eine Erhöhung der Beschäftigten in diesem
Bereich um 6.500 gegenüber dem Vormonat statt. Der
Dienstleistungsbereich ist nicht in der Lage, diese
Arbeitsmarktsituation zu kompensieren. Die Industrie in den
Neuen Bundesländern verfügte im März über eine größere
Zuwachsrate als in den Alten Ländern. Diese kommt jedoch nur
geringfügig zum Tragen, da der Anteil an der
gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung relativ klein ist. Der
Beschäftigungspakt Ost, gestartet von Bundesregierung,
Gewerkschaften und Wirtschaft, will noch die Ergebnisse bis
zum Mai 1998 abwarten, wird dann jedoch an der anhaltenden
Arbeitslosigkeit zerbrechen(Südd. Z.
v. 1.4.98).
Wachstumsrate
des realen BIP: Angleichung der Lebensverhältnisse
in ferner Sicht
Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung
lag die Wachstumsrate des BIP der Neuen Länder mit 1,6%
unter der der Alten. Von einer Angleichung der
Lebensverhältnisse kann zumindest im Augenblick keine Rede
sein. Die Wachstumsrate im 4. Quartal betrug nur 0,5%. Somit
lagen wir mit unserer eigenen Schätzung weit entfernt. Dies
lag daran, daß wir unserem eigenen Indikator nicht trauten,
der nur einen geringen Anstieg der Produktion im
Produzierenden Gewerbe anzeigte und somit in die richtige
Richtung wies. Wir schlossen uns den Schätzungen der
Forschungsinstitute an, die eine Jahresrate von etwa 2%
prognostizierten. Um diesen Wert zu erreichen, mußte im
vierten Quartal ein wesentlich höheres Ergebnis erreicht
werden als dies tatsächlich realisiert wurde.
Für das erste Quartal rechnen wir mit einem wesentlich
besseren Ergebnis. Im sehr milden Januar (ungewöhnlich hoher
Wert der Bauproduktion) lag die Produktion im
konjunkturreagiblen sekundären Sektor um etwa 20%, im
Februar 5% über dem Vorjahreswert. Unserer Schätzung nach
dürfte der Index um etwa 12% über dem Vorjahresquartal
liegen. Somit dürfte auch die saisonbereinigte Wachstumsrate
des BIP um die 3% liegen. Dies ändert nichts an der
Tatsache, daß die Entwicklung des Produzierenden Gewerbes
einerseits durch die Talfahrt im Bau und andererseits durch
den Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe bewirkt wird. Im VG
gab es im Februar bei Auftragseingang das beste Ergebnis seit
November 1995 (Konjunkturteam Altmark
in Altmark-Zeitung v. 7.4.98 und Graphik unten).
Schwachpunkt auch der Entwicklung in den neuen Ländern ist nach wie vor der Private Konsum. Dies spiegelt sich auch im Einzelhandelsklima wieder. Der BBE-Index stieg zwar aus seiner Talsohle vom Jahreswechsel, erreicht aber im März nur 85,1 (Handelsblatt v. 6.4.98). Somit liegt der Index seit dem 4. Quartal 1994 unter dem Durchschnittswert von 100, der einen Ausgleich von optimistischen und pessimistischen Einschätzungen zum Ausdruck bringt. Allein im Februar beklagten 50% der Einzelhändler Ostdeutschlands Umsatzeinbußen. Im März rechnete nahezu die Hälfte der Ost-Händler (45%) in den kommenden Monaten mit Gewinneinbußen, ein Drittel mit rückläufigen Umsätzen. Nur wenige hoffen auf Umsatz- (17%) bzw. Gewinnsteigerungen (15%)." (Handelsblatt v. 6.4.98) Dieses Ergebnis wird auch durch Ifo-Geschäftsklimaindex des Einzelhandels Ost untermauert. Nach -32,5 im Dezember, -27,8 steht er im Januar mit -22,8 immer noch tief im negativen Bereich (Handelsblatt v. 30.3.98).
Der sich im letzten Quartal abzeichnende Trend der positiven Kapazitätsauslastung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe setzt sich weiter fort (BMWi /März 1998). Folge könnten steigende Ausrüstungsinvestitionen sein. Dies steht auch in Verbindung mit den steigenden Auftragseingängen in dieser Branche. Ein Beispiel hierfür ist die Sachsenring Automobiltechnik AG, die investiert um ihr Betätigungsfeld auszuweiten und Großaufträge abzusichern (Handelsblatt v. 19.3.98). Dennoch dürfte von diesem Nachfrageaggregat nicht allzuviel zu erwarten sein.
Ausrüstungsinvestitionen in den neuen Bundesländern1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | |
Ausrüstungen | 40,7 | 40,7 | 51,2 | 55,1 | 55,9 | 58,4 | 58,0 |
Obige Tabelle (Quelle: BMWi; Wirtschafts-Daten Neue Länder März 98; 95-97 vom ifo geschätzt) gibt einen Überblick über die zuletzt stagnierende Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen.
Seit 1.1.98 gilt nun der um 2 Prozentpunkte auf 5,5% gesenkte Solidaritätszuschlag, wodurch die Steuerzahler um 7,1 Mrd. DM entlastet werden sollten. Ansonsten konnten keine weiteren Teile des Steuerreformkonzeptes umgesetzt werden. Weitere Maßnahme des Staates war die Aufhebung des Arbeitsförderungsgesetz und das hierfür inkraftgetretene des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches. Inwieweit sich dies auf die Zahl der registrierten und verdeckten Arbeitslosen auswirkt, wird sich noch zeigen. Nach Blüms Plänen sollen 100.000 Menschen zusätzlich in Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen beschäftigt werden, wozu ein Sofortprogramm von 600 Mio. DM aufgelegt wurde und den Arbeitsämtern ein Überziehungskredit von 1 Mrd. DM eingeräumt wurde (Handelsblatt v. 20/21.3.98). Vieles deutet darauf hin, daß trotz Konsolidierungszwang und Forderung nach Nachhaltigkeit der Euro-Kriterien nicht übersehen werden darf, daß 1998 die Bundestagswahl stattfindet (vgl. Arbeitsmarkt und Bauwirtschaft).
Trotz der immer noch anhaltenden Ungewißheit über die Auswirkungen der Asienkrise auf die deutsche Exportindustrie, läßt sich auch am Anfang des 1. Quartals 1998 der anhaltend positive Trend des letzten Jahres weiter beobachten. 1997 stiegen die Auslandsumsätze um 30%, die Auftragseingänge, wie die Graphik auch zeigt, um sogar über 37% (Quelle Stat. BA und DBB).
Die Auslandsumsätze steigen im ostdeutschen Verarbeitende Gewerbe weiterhin zufriedenstellend, wenn auch nicht mehr ganz so stark. Dabei kann der recht stabile Dollarkurs der letzten Monate, welcher gut über der Marke von 1,75 DM notiert, als sehr exportfördernd angesehen werden. Dennoch werden immer noch nur ca. 15% des Gesamtumsatzes des ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbes im Ausland erzielt. Darüber hinaus ist auch weiterhin zu beobachten, daß der überwiegende Teil der Auftragseingänge aus den westlichen Industriestaaten kommt. Die Auftragseingänge aus Mittel- und Osteuropa belaufen sich auch Anfang 1998 auf gut 1/4 des Gesamtvolumens.
Die ostdeutsche Bauwirtschaft, seit Dezember 1997 wieder auf einem neuen Tiefstand, kämpfte auch im ersten Quartal 1998 mit sinkenden Aufträgen und Umsätzen, sowie Personalabbau. Von der anhaltend schlechten Lage ist insbesondere der Mietwohnungsneubau betroffen. Um die Bauwirtschaft zu fördern, startete die Bundesregierung im Februar diesen Jahres die dreiteilige Beschäftigungsinitiative "Impulse für mehr Arbeitsplätze". Teil 1 dieser Initiative bestand aus Appellen der Koalition die bereits vorhandenen Möglichkeiten im Arbeitsförderungs- und Sozialhilferecht besser zu nutzen; Teil 2 aus, von Bauminister Oswald (CSU) zusätzlich zinsverbilligten Kreditmilliarden, die jedoch infolge des niedrigen Zinsniveaus keine Wende brachten. Der letzte Versuch eines Umschwungs bestand in der von G. Rexrodt gewünschten Förderung von Innovationen und Existenzgründungen, für die jedoch T. Waigel zusätzliche Gelder verweigerte. (Handelsblatt, 17.02.1998) Mit Hilfe dieser Initiative sollten 100.000 Arbeitsplätze in der Baubranche für 1 Jahr gesichert werden. Im Januar allein stieg die öffentliche Baunachfrage um real 21,7%, nach dem das öffentliche Auftragsvolumen 1997 um 6,5% zurückgegangen war (Handelsblatt v. 30.3.98).
Zur Entwicklung der Zinsen läßt sich kaum Neues schreiben. Diskont- und Lombardsatz verharren nun schon seit April 1996 auf dem Niveau von 2,5 und 4,5% (Altmark-Zeitung v. 3.4.98). Auch der Wertpapierpensionssatz unterlag seit Anfang Oktober 1997 keiner Änderung mehr und beträgt 3,3%. Die Umlaufrendite (siehe Tabelle Daten), die zum Jahresende leicht gestiegen war, sank im ersten Quartal 1998 wieder ab und dürfte einen Wert von etwa 4,8% annehmen. Dieser stellt wiederum ein historisches Tief dar. Trotz mehrfacher Prognose eines absoluten Tiefs bei den Hypothekarzinsen im letzten Jahr, sinkt auch dieser Zinssatz weiter. Da die kurzfristigen Zinsen eher stagnieren, verringert sich die Zinsdifferenz weiter. Sie ist allerdings von einer inversen Zinsstruktur, die oftmals als Indikator für eine rezessive Phase herangezogen wird, noch weit entfernt. Auch vom Ausland kamen im 1. Quartal keine Meldungen, die für Unruhe an der Zinsfront sorgten. Hier spielte natürlich auch die gegenwärtige Inflationsentwicklung (s. Inflation) eine entscheidende Rolle.
Von Seiten der Löhne gibt es ähnlich wie von der Preis- und Zins-"Front" nur wenig zu berichten. Betrachtet man die Lohnkosten je Umsatzeinheit so kann man seit April 97 leichte Vorteile Ostdeutschlands diagnostizieren.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Lohnkosten je Produkteinheit. Diese sanken im 2. Halbjahr in Westdeutschland saisonbereinigt um 2%, in Ostdeutschland um 4% gegenüber dem 1. Halbjahr (Saisonbereinigte Zahlen der DBB März 1998). Bedenklich für die Kostenseite erweist sich die Entwicklung der Personalzusatzkosten in Ostdeutschland. Diese betragen nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln mittlerweile 71,50 je 100 DM Direktentgelt und sind vom westdeutschen Betrag von 80,10 nicht mehr weit entfernt (iwd 12 v. 19.3.98).
Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteam "Altmark":
Brattan, M. (Zins); Markus, J. (Löhne); Brückmann, B. (Inflation); Jacob, R. (Export)
Klinger, D. (Investitionen); König, A.(Konsum); Vorpahl, D. (Staat)
Wruck, M. (Arbeitslosigkeit); Patzig, W.(Wachstum); Gläser,T. (Bauwirtschaft)
V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg / Stendal; Fachhochschule Altmark i.G.,
Am Dom 13, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 794704; Fax: 03931 / 794700
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de