Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:
Lageanalyse 1. Quartal 2002:
Datenlage
Aktuelle Daten zur Lage der Neuen Bundesländer: | Inflationsrate* (Lebenshaltung aller priv. Haushalte) |
Arbeitslosenquote (Erwerbspersonen insg.)
(nicht saisonbereinigt) |
Wachstumsrate des realen BIP4)
in Preisen v. 1995 (ohne Gesamt-Berlin) |
Saldo der Leistungsbilanz (in Mrd. DM)1) (Gesamtdeutschland) |
Zinssatz (Umlaufsrendite) (Gesamtdeutschland) |
1994 | 3,7 % | 15,2 % | 11,4 % | -38,8 | 6,7 % |
1995 | 2,1 % | 14,0 % | 4,5 % | -29,7 | 6,5 % |
1996 | 2,2 % | 15,7 % | 3,2 % | -12,0 | 5,6 % |
1997 | 2,1 % | 18,1 % | 1,6 % | -4,7 | 5,1 % |
1998 | 1,2 % | 18,2 % | 0,9 % | -10,9 | 4,5 % |
1999 | 0,4 % | 17,6 % | 2,0 % | -35,0 | 4,3 % |
2000 | 1,7 % | 17,4 % | 1,1 % | -44,2 | 5,4 % |
2001 | 2,9 % | 17,5 % | -0,1 % | +4,5 | 4,8 % |
1. Quartal 2001 | 2,7 % | 18,7 % | -2,4 | 4,9 % | |
2. Quartal 2001 | 3,5 % | 17,0 % | -8,3 | 5,0 % | |
3. Quartal 2001 | 3,0 % | 14,1 % | +1,5 | 4,8 % | |
4. Quartal 2001 | 2,3 % | 17,1 % | +13,6 | 4,5 % | |
1. Quartal 2002 | 2,0 % | 19,0 % | 4,9 % | ||
Januar 2002 | 2,4 % | 19,1 % | 4,8 % | ||
Februar 2002 | 1,9 % | 19,2 % | 4,8 % | ||
März 2002 | 1,8 %3) | 18,8 %2) | 5,1 % |
Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsberichte + saisonbereinigte
Wirtschaftszahlen und eigene Berechnungen * Veränderung gegenüber
Vorjahreszeitraum
1)Im Rahmen der Revision der Leistungsbilanzdaten von
1999 wurden methodische Änderungen vorgenommen 2)Bundesanstalt
für Arbeit Pressemitteilung v. 09.04.02
3)Statistisches Bundesamt; Mitteilungen für die Presse v. 09.04.02
4)Werte vom Arbeitskreis "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der
Länder"
Im Jahr 2002 steht die Preisentwicklung
der Verbraucherpreise auch weiterhin im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Zum
Jahresbeginn sorgten sowohl die Euro-Bargeldeinführung als auch die wirksam
gewordenen Steuererhöhungen für Aufsehen. Beide Ereignisse haben einen Einfluss
auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in den neuen Ländern und Berlin-Ost.
Die Preissteigerungsrate betrug im Januar 2,4%, im Februar 1,9% und im März
1,8%, jeweils auf Jahresbasis (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 09.04.02).
Das Nichtunterschreiten der 2%-Marke, was wir für das 1. Quartal 2002 prognostizierten
(Konjunkturbericht, 15.01.02), erwies sich demnach als richtig. Zum 1. Januar
2002 sind Erhöhungen bei der Kraftstoff-, Strom-, Tabak- und Versicherungssteuer
wirksam geworden. Der Einfluss der Euro-Bargeldeinführung auf die Preisentwicklung
beherrscht das öffentliche Interesse im Besonderen. Aus diesem Grund hat das
Statistische Bundesamt, in einer seit Jahresanfang 2001 laufenden Studie,
18.000 Preisreihen ausgewählter Güter des täglichen Bedarfs aus 35 Produktgruppen
analysiert. Das veröffentlichte Ergebnis dieser Studie besagt, dass die Euro-Bargeldeinführung
keinen erheblichen Einfluss auf den Preisindex der Lebenshaltungskosten aller
privaten Haushalte gehabt haben soll (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt,
08.03.02). Jedoch ist der Anteil euro-induzierter Preissteigerungen zum Zeitpunkt
der Euro-Bargeldeinführung besonders stark angestiegen. So ist unter den untersuchten
Produkten, von Januar 2001 bis Januar 2002, im Durchschnitt jede sechste Preisänderung
(17,6%) euro-induziert gewesen. Dagegen ist, von Dezember 2001 bis Januar
2002, mehr als jede zweite Preisänderung (53,2%) euro-induziert gewesen. Hinter
diesen Änderungen stehen Preisumstellungen von attraktiven DM-Preisen auf
attraktive Euro-Preise, die sowohl zu Preiserhöhungen als auch zu Preissenkungen
führten. Somit liegen die euro-induzierten Preisänderungen zwischen -0,3 und
+1,4 Prozentpunkten für die jeweils untersuchten Produktgruppen (Pressemitteilung
Statistisches Bundesamt, 08.03.02). Dieses Ergebnis steht jedoch nicht im
Widerspruch zu einigen Beobachtungen von Wirtschaftssubjekten, die gerade
von Preiserhöhungen im Lebensmitteleinzelhandel sprechen. In der Studie wird
dazu angemerkt, dass es im Vorfeld der Euro-Bargeldeinführung zu Preiserhöhungen
bei den attraktiven DM-Schwellenpreisen kam, um diese nach der Bargeldeinführung
wieder zu senken. Dieser Prozess wird durch einen starken Preisanstieg bei
Obst und Gemüse, aufgrund des Wintereinbruchs in den südlichen Ländern Europas
zum Jahresende 2001, überlagert, wodurch sich diese im Januar 2002 (7,2% bzw.
18,3% zum Vorjahresmonat) drastisch verteuerten.
Derzeit ist ein weiterer Preisanstieg bei Obst und Gemüse eher unwahrscheinlich, da sich die Preise für beide Gütergruppen in den letzten Monaten deutlich verbilligten (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 12.03.02). Die auf Jahresbasis rückläufigen Preise für Heizöl und Kraftstoffe wirkten sich ebenfalls inflationsdämpfend aus. Jedoch gibt es Anzeichen dafür, dass sich dieser Prozess umkehren könnte, da gerade die Kraftstoffpreise im Februar zum Vormonat um 1,7% angestiegen sind. Bei einem Blick auf die Erzeuger- und Großhandelspreise macht sich die konjunkturelle Schwäche bemerkbar. Im Februar 2002 sanken die Erzeugerpreise um 0,3% und die Großhandelspreise um 0,5% gegenüber dem Vorjahresmonat. Bei den Erzeugerpreisen verzeichneten Mineralölerzeugnisse (leichtes Heizöl -16,8%, Flüssiggas -23,2%) und Vorleistungsgüter (chemische Grundstoffe -9,8%, Roheisen und Stahl -9,2%) deutliche Preisrückgänge im Vergleich zum Vorjahresmonat (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 25.03.02). Ein ähnliches Bild zeigen die Großhandelspreise, die zusätzlich noch von dem bereits angesprochenen Preisanstieg bei Obst und Gemüse (Gurken +83,7%, Tomaten +52,4% auf Jahresbasis) betroffen sind (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 15.03.02). Im März 2002 sind die Großhandelpreise auf Jahresbasis unverändert geblieben (Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 15.04.02).
Schauen wir uns die Eckwerte des Arbeitsmarktes
der Bundesanstalt für Arbeit für das erste Quartal diesen Jahres an, so müssen
wir leider eingestehen, dass die von uns prognostizierte Arbeitslosenquote
aller zivilen Erwerbspersonen von 17,9% nicht eingetreten ist (BfA, Presseinformation
Nr. 26/2002, 09.04.02).Der von uns prognostizierte Wert liegt unter dem tatsächlichen.
Im Mittel beträgt diese Arbeitslosenquote, über die Monate Januar bis März,
ca. 19%. Welche Gründe könnte es dafür gegeben haben? Wie bekannt ist, zählen
die Wintermonate und somit auch das abgelaufene Quartal nicht zu den freundlichsten,
was den Arbeitsmarkt betrifft. Aufgrund der doch schlechten Witterung im Januar
sind vor allem die Baubranche und das Verarbeitende Gewerbe negativ betroffen
gewesen. Auch hat über die Wintermonate die Zahl der Kurzarbeiter zugenommen.
Waren im Januar diesen Jahres noch ca. 32.800 Kurzarbeiter im Bundesgebiet
Ost gemeldet, so mussten im Februar hingegen ca. 6.400 Kurzarbeiter zusätzlich
registriert werden. Dies entspricht einer Steigerung von 19,6% innerhalb eines
Monats (BfA, Presseinformation Nr. 26/2002, 09.04.02). Betrachtet man sich
die Daten der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) genauer, so ist hier eine
sukzessive Verringerung dieser zu verzeichnen. Im März 2001 lagen die ABM
um 33,6% höher als im März diesen Jahres, d.h. dass im März letzten Jahres
ca. 39.700 Personen zusätzlich durch ABM eine Arbeit besaßen (BfA, Presseinformation
Nr. 26/2002, 09.04.02). Laut Bundesanstalt für Arbeit lautet ein Motto zur
Arbeitsmarktpolitik: "Mehr Beschaffungshilfen für Langzeitarbeitslose- weniger
ABM" (BfA, Presseinformation Nr. 26/2002, 09.04.02). Das Sinken der Arbeitslosenquote
aller zivilen Erwerbspersonen von 19,2% im Februar diesen Jahres auf 18,8%
im März wird von der Bundesanstalt für Arbeit mit dem Einsetzen der Beschäftigungsnachfrage
zum Frühjahrsbeginn und der Auswirkung des Job-AQTIV- Gesetzes, dessen Motto:
"Fördern und Fordern" ist, begründet (BfA, Presseinformation Nr. 26/2002,
09.04.02).
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Das Verarbeitende Gewerbe
Auch in der Ostdeutschen Industrie spiegelt sich
eine optimistischere Sicht in die Zukunft wieder. So stieg das Geschäftsklima
des Ifo-Instituts fast in den positiven Bereich. Mit einem saisonbereinigtem Index
von -0,1 wurde der Monat März bewertet. Im Januar waren dies noch -13,7. Dabei
besteht aber ein großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Geschäftsaussichten
und der derzeitigen Geschäftslage (saisonbereinigte Index: -8,9). Der letzte Konjunkturabschwung
zeigt hier noch deutliche Spuren. Sieht man sich die einzelnen Bereiche genauer
an, so bewertet das Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe die derzeitige Situation
mit -22,7 Punkten noch am schlechtesten gefolgt vom verbrauchsgüterproduzierenden
Gewerbe mit -16,8. Bemerkenswerterweise schätzen genau diese beiden die Zukunft
noch am besten ein. Das Bundesfinanzministerium veröffentlichte für den Monat
Februar recht konstante Auftragseingänge in der Industrie (vorläufige Ergebnisse).
Aber auch hier sind einige Unterschiede zwischen den einzelnen Industriebereichen
zu erkennen. Die Investitionsgüterproduzenten konnten ein recht erfolgreichen
Geschäftsmonat verbuchen. Der saisonbereinigte Index stieg um 8 Punkte. Im Januar
waren es nur 0,5. Die Vorleistungsgüterproduzenten mussten einen kleinen Rückgang
von 3,6 Punkten hinnehmen. Trotz allem Optimismus zeigen die tatsächlichen Produktionsdaten
weniger erfolgreiche Situationen. Nach einer Befragung des Instituts der Deutschen
Wirtschaft, erwarten derzeit nur knapp ein Drittel der ostdeutschen Unternehmen
ein Produktionswachstum (30,4%). Bei den Erträgen sind es gar nur 28,8% der Betriebe.
Der Export wird weit weniger "positiv" eingeschätzt. Hier rechnen nur 8,9% der
Unternehmen mit Steigerungen (iwd, 7. März 2002).
Die Bauwirtschaft
Die positiven Anzeichen aus der Prognose für das
erste Halbjahr 2002 haben sich vorerst erfreulicherweise erfüllt. Allgemein wird
die Stimmung auf dem Bau als entspannt angesehen. Laut der ifo - Umfrage im März
hat sich das Geschäftsklima erheblich verbessert und wird nicht mehr als nachteilig
eingeschätzt. Doch ist dieser Optimismus gerechtfertigt? Die an der Umfrage beteiligten
Unternehmen können bestätigen, dass sowohl die Bautätigkeit als auch die Kapazitätsauslastung
gestiegen sind. Auch hat sich die Reichweite der Auftragsbestände erhöht, obwohl
56% der Testteilnehmer die Auftragslage für verbesserungswürdig einschätzen. Grund
für Unzufriedenheit lieferten hingegen nur das schlechte Wetter und der allgemeine
Auftragsmangel, als größte Hemmnisse in der Produktion (ifo Konjunkturperspektiven,
3/2002). Warnungen vor zu großer Euphorie kommen dagegen von Seiten der Deutschen
Bauindustrie. Sie gibt zu bedenken, dass die Zahl der Insolvenzen immer noch steige,
und auch eine konjunkturelle Trendwende in den nächsten Monaten wohl nicht zu
erwarten ist. Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie,
Michael Knipper, geht sogar davon aus, dass "ein Kapazitätsabbau unumgänglich"
sei. Im Gegensatz dazu fallen laut Creditreform immer noch ca. 16,5% aller Unternehmensgründungen
in Ostdeutschland auf das Baugewerbe. So könne eine Gesundung der Bauwirtschaft
nicht eingeleitet werden, ist Michael Knipper der Meinung (Pressemitteilung vom
02.04.02, Deutsche Bauindustrie).
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Angebotsseitige Faktoren
Ob nach den Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitgeberverbänden
und den Gewerkschaften nun eine 6,5%tige - wie von der IG Metall gefordert -
oder nur eine zweiprozentige Lohnanhebung (Arbeitgeberzugeständnisse)
für des kommende Jahr herauskommt, ist derzeit ungewiss. Schlussendlich musste
es erst wieder zu Warnstreiks in einigen Teilbereichen kommen wie z.B. Waggonbau
Ammendorf, Opel Eisenach, usw. (Volksstimme 11.04.02). Erinnern wir uns, der
IG Metall-Chef Klaus Zwickel versprach noch im Herbst des vergangenen Jahres
eine "Tarifrunde mit Augenmaß" (Handelsblatt 04.10.2001 S. 5). Ob er damit die
heutige 6,5%tige Lohnforderung meinte? Auf der anderen Seite muss zugegeben
werden, dass die Forderungen nur allzu leicht nachvollziehbar sind, wenn man
sich die Entwicklung der Realeinkommen näher betrachtet. So stagnierten die
Realeinkommen der Arbeitnehmerhaushalte in den letzten Jahren bzw. gingen sogar
leicht zurück. Auch für die 30.000 Beschäftigten in der ostdeutschen Chemieindustrie
stehen die Tarifverhandlungen an. Es ist davon auszugehen, dass die Forderungen
der IG Metall und schlussendlich ihre Konsenslösung als Verhandlungsgrundlage
für die ostdeutsche Chemieindustrie mit herangezogen werden.
In seiner letzten Sitzung vom 04.04.02 ließ der EZB-Rat wie erwartet die Leitzinsen unverändert. Damit liegt der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte bei 3,25%, für Spitzenrefinanzierungsfazilitäten bei 4,25% und für Einlagefazilitäten bei 2,25%. Der EZB-Rat begründet seine Entscheidung mit dem zunehmenden Vertrauen der Industrie im ersten Quartal 2002. Unterstützt wird dies durch Indikatoren der FTD, dem Euroindikator und vom IFO-Geschäftsklimaindex (Jan. 2002: 81,0; März 2002: 86,8). Auch am Arbeitsmarkt scheint sich eine Erholung abzuzeichnen. Des Weiteren verringerte sich die Jahresteuerungsrate auf der Verbraucherstufe. Nach Einschätzung der EZB ist mit dem derzeitigen Zinsniveau die Preisstabilität auf mittlere Sicht gewährleitstet. Der Anstieg des Rohölpreises, von 19 US-$ Mitte Januar auf über 25 US-$ Anfang April, ist auf die hohe Förderdisziplin der OPEC-Mitgliedsländer und auf die Fördereinschränkungen von Nicht-OPEC-Mitgliedern zurückzuführen. Bei ihrer Einschätzung geht die EZB davon aus, dass der Ölpreisanstieg nicht von Dauer sein wird. Ihrer Ansicht nach wird der zu erwartende Aufschwung von der Inlandsnachfrage getragen und erhöhte Ölrechnungen werden daher nicht in nennenswertem Umfang Kaufkraft abschöpfen. Spekulationen über die Auswirkungen der Euro-Bargeldeinführung auf die Verteuerung der Lebenshaltung hält die EZB für verfrüht.
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Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteams "Altmark" der Hochschule Magdeburg - Stendal (FH):
Jacob, R. (Löhne L+P); Brückmann, B. (Inflation L+P); Schleef, Andreas (VG L+P);
Trombska, D.(Arbeitslosigkeit L+P); Patzig, W.(Wachstum L+P); Röbbig, A.(Zins L+P); Rosenow, A.(Bau L+P)
L = Lage und P= Prognose
Redaktion:
Bernd Brückmann und Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Internet:
Antje und Andreas SchleefV.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Wolfgang Patzig
Hochschule Magdeburg-Stendal(FH) / Stendal;
Osterburger Str. 25, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 2187-4823; Fax: 03931 / 2187-4870
eMail: Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de