Konjunkturteam "Altmark"
Bericht III/2001 vom 17. Juli 2001
Bericht zur Konjunkturlage in den neuen Bundesländern:
Das Aktuelle Thema: Entwicklung des Realzinses
Die wirtschaftliche Stimmung in der BRD scheint sich zu spalten. Legt man die
neuesten Konjunkturumfragen im verarbeitenden Gewerbe zu Grunde, so lässt sich
beobachten, dass die Stimmung in den neuen Ländern besser als in den alten Ländern
ist. Spricht man von pessimistischen Erwartungen des verarbeitenden Gewerbes,
so ist damit vordergründig die Situation in den alten Ländern angesprochen. Einen
nicht unerheblichen Anteil an der Negativentwicklung wird der aktuellen Preisentwicklung
beigemessen. Preisindizes, wie die der Lebenshaltungskosten, Erzeugerpreise, Importpreise,
steigen seit nunmehr 12 Monaten und haben Höchststände erreicht. Infolge der gestiegenen
Lebenshaltungskosten kommt es zu einem realen Kaufkraftverlust. Dies trifft die
Nachfrageseite, da mit einem konstanten Geldbetrag weniger Güter gekauft werden
können. Wie sieht es auf der Angebotseite aus, wo vereinfacht die Preise für Arbeit
und Kapital stehen. Steigende Preise bei konstantem Nominallohn und konstanter
Nominalverzinsung senken die realen Werte. Der Reallohn und die Realverzinsung
gehen mit steigenden Preisen zurück. Wir betrachten nun lediglich die Kapitalseite.
Als stellvertretenden Realzins wird die reale Umlaufrendite betrachtet, die sich
aus nomineller Umlaufrendite abzüglich der Preisanstiegsrate berechnet. Es ist
zu beobachten, dass sich die reale Umlaufrendite, je nach dem welcher Preisindex
zu Grunde gelegt wird, zwischen 0% und 2% bewegt. Dieses tiefe Realzinsniveau
wurde in den 90iger Jahren noch nicht erreicht. Welche Auswirkungen auf Unternehmensseite
könnte dies haben? Wenn sich die Unternehmen am realen Zinsniveau orientieren,
dann steht ihnen derzeit ein günstiges Kapitalangebot zur Verfügung. Dies allein
motiviert aber noch nicht zur Investition. Hierbei dürfte vielmehr die aktuelle
Kapitalverzinsung des Unternehmens von Bedeutung sein. Liegt die unternehmensinterne
Kapitalrendite über dem Realzins, dann dürften Investitionen von Interesse sein.
Weniger interessant werden Investitionen sein, wenn sich die reale Kapitalrendite
unter dem Realzins befindet. Auf welchem Niveau liegt die derzeitige Kapitalrendite
der Unternehmen? Diese Frage lässt sich sehr schwer beantworten, da verlässliche
Informationen nicht vorliegen. Anhand der positiven Stimmung im verarbeitenden
Gewerbe der neuen Länder lässt sich auf eine gestiegene Wettbewerbsfähigkeit schließen.
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Inwieweit der Stimmungsindikator einen Rückschluss auf die Kapitalrendite der
Unternehmen zulässt, ist sicherlich fraglich. Er lässt zu mindestens eine steigende
Kapitalrendite vermuten. Liegt die unternehmensinterne Kapitalrendite über dem
Realzins, dann könnte sich dies in steigenden Investitionen niederschlagen, wenn
zwei Faktoren weiterhin Bestand haben. Einmal müsste der Realzins dieses Niveau
längerfristig beibehalten. Geht der Preisauftrieb zurück, so steigt der Realzins.
Kommt es infolge des Preisrückgangs zu einer Zinssenkung seitens der EZB, so wird
der Realzinsanstieg kompensiert. Angesichts der konjunkturellen Situation in Europa
ist eine Zinssenkung nach einem Rückgang der Inflationsrate nicht unwahrscheinlich.
Der zweite Faktor ist der Preis für Arbeit. Im Besonderen ist hierbei das Verhalten
der Gewerkschaften gemeint. Den Gewerkschaften wird der reale Lohn- und Gehaltsrückgang
der letzten Monate nicht verborgen geblieben sein. Somit wäre zu hinterfragen,
inwieweit überhöhte Tarifabschlüsse zu erwarten sind. Unabhängig vom Ausgang der
Tarifverhandlungen ist die Gewerkschaftsstärke in den neuen Ländern im Vergleich
zu den alten Ländern eher gering. Daher werden Überraschungen auf dieser Seite
weniger die neuen Länder tangieren. Ist die Unternehmensrendite über dem Realzins
und bleibt die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe positiv, so spricht relativ
wenig gegen steigende Investitionen. Ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass
die Baubranche mit dem baunahen Handwerk nicht in dieses Szenario hineinfällt.
(Bernd Brückmann)
Herausgeber:
Mitarbeiter des Konjunkturteams "Altmark"
der Hochschule Magdeburg - Stendal (FH):
Wruck, M.(Arbeitslosigkeit L+P); Gläser, T. (Bauwirtschaft L); Jacob, R.; Vorpahl, D. (VG P);
Brückmann, B. (Inflation L+P), König, A. ; Schleef, A. (VG L);
Wedekind, A.(Löhne L+P); Patzig, W.(Wachstum L+P);
Brattan, M.(Zins L+P); Rosenow, A.(Bau P)
L = Lage und P= Prognose
Redaktion:
Bernd Bückmann und Wolfgang Patzig
Internet:
Antje Schleef und Andreas König
V.i.S.d.P.:
Prof.
Dr. Wolfgang Patzig
Fachhochschule Magdeburg - Stendal;
Osterburger Str. 25, 39576 Stendal
Tel.: 03931 / 2187-4823; Fax: 03931 /
21874870
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Wolfgang.Patzig@stendal.hs-magdeburg.de